Ein etwas anderes Märchen auf der Bühne des Lycée classique de Diekirch

In märchenhaft schönen Kostümen verführten die Theaterspieler*innen der Truppe Les Gallomanogeois ihr Publikum im Lycée classique de Diekirch in eine teils von künstlicher Intelligenz generierter Welt. Der Auftritt der 24 mitwirkenden Schüler*innen auf der Bühne des Festsaals im Alten Gebäude war das Ergebnis einer langen, arbeitsintensiven Vorbereitung. Am Anfang hatten die Jugendlichen geplant, ein Märchen aufzuführen. Im Rahmen ihres Erasmus+ Projektes „Good A.I.-Good Idea“ mit ihrer Partnerschule, dem Athénée Royal Simone Veil in Beaumont (B), hatten sie stattdessen die Möglichkeit erforscht, mithilfe von ChatGPT zuerst selbst ein Theaterstück zu schreiben. Allerdings hatten die Vorschläge der KI sie nicht wirklich überzeugt, weswegen eine der Regisseurinnen das Schreiben selbst in die Hand genommen hatte.
Das am 20. Juni im LCD aufgeführte Stück „Il était une fois… un conte pas comme les autres“ ist eine Fabel, die bekannte oder mit ihnen verwandte Wesen in Szene setzt – unter anderem den unglücklich verliebten Froschkönig, Blaukäppchen, sowie die Prinzessinnen Cindy, Belle und Blanche aus Aschenbrödel, Die Schöne und das Biest, und Schneewittchen. Anders als in den Märchen, haben Cindy und Belle schon einige Ehejahre hinter sich, sowie die damit einhergehenden Abnutzungserscheinungen ihrer einst großen Liebe, was sie ihr Publikum unverblümt wissen lassen, und damit so manchen Lacher im Saal auslösen. Nur Prinzessin Jasmine, Witwe von Prinz Aladin hält ihren Gemahl in Ehren, oder zumindest einen seiner Teppiche, den sie beim blind date mit Prinz Single um Rat fragt. Eine sehr schöne Szene ist auch das Gespräch, das sie mit ihrem Dienstmädchen hat: Ist es richtig, dass sie, die Prinzessin, einen großen Raum ihr Eigen nennt, derweil die Magd ein kleines Kämmerlein bewohnt? Die Untertanin lenkt ein – sie kennt ja ihren Platz in der Gesellschaft. Als Jasmine aber auf den sozialen Unterschied zwischen ihnen pocht, weist die Hausangestellte sie auf den Widerspruch zum eben Gesagten hin.
Eine mit großer Leidenschaft gespielte Rolle ist die des Froschkönigs: mit hängendem Kopf sitzt er beim blind date zuerst allein, dann mit der schlafenden Prinzessin Aurore am Tisch – eine erneute Zusammenkunft mit Blaukäppchen bleibt ihm verwehrt. Nach dem vereitelten Termin klagt er dem Publikum hingebungsvoll sein Leid – wird die gute Fee ihm weiterhelfen?
Einige der Märchenfiguren entsprechen dem Zeitgeist: Die böse Stiefmutter von Belle befragt nicht ihren Spiegel, sondern Instagram und Co nach der Schönsten im ganzen Land. Neben dem fleischfressenden, tritt auch der vegane Wolf auf, erkennbar an seinem grünen Pelz.
Il était une fois…“ erzählt auch seine eigene Entstehungsgeschichte. So sitzen am rechten Bühnenrand zwei Schülerinnen und ein Schüler, die im ständigen Dialog mit der künstlichen Intelligenz stehen. Sie grüßen freundlich, tragen ihr Anliegen vor, lassen sich die von ChatGPT erdachten Szenen zeigen, sind enttäuscht, fordern anderes, streiten, da sie unterschiedlicher Meinung sind, ärgern sich über ihren unfähigen Assistenten, haben dann auch mit ihm Auseinandersetzungen, bevor sie letztendlich das Stück selbst fertig schreiben. Die anfangs roboterhaft wirkende Hilfskraft nimmt nach und nach immer menschlichere Züge an – wird sie auch deswegen von den Schülern weggejagt?
Alles in allem boten die Gallomanogeois ihrem Publikum eine gelungene Aufführung, die u.a. mit ihrer selbstverständlich wirkenden Dreisprachigkeit überzeugte.

Schauspieler*innen: Maelys Josse, Milla Frank, Finn Guden, Laure Schmitz, Maxime Cambron, Manon Guinaudeau, Eve Antony, Leni Schmit, Beatriz Pinto Barros, Danica Gajic, Jasmina Hukic, Léonie Rosch, Catherine Strauch, Caroline Fischer, Cynthia Vanspouwen, Anna Visser, Luca Malbot, Liam Bandeiras Mersch, Logan Beié Secu, Colin Holtz, Sienna Heusbourg, Laura Ferreira Perdigao, Victoire Simon, Théo Useldinger
Technik: Théo Useldinger, Florence Marxen
Musik: Florence Marxen, Martine Schroeder
Text: Martine Schroeder
Regie: Martine Schroeder, Florence Marxen, Hanna Grosbusch
Kostüme: Lina Seiler Dalyn