Ein Jahr nach der Flucht

Ein Jahr nach der Flucht

Zusammenkunft der ukrainischen Familien in Vianden


Sie flohen von Ternopil, einer Groβstadt im Westen der Ukraine. Per Zug und Bus kamen sie nach Luxemburg-Stadt und von dort nach Vianden. Genau ein Jahr ist es her, dass 64 ukrainische Frauen, Kinder, Jugendliche und einige Männer in der Viandener Jugendherberge untergebracht wurden.... lediglich mit dem, was sie auf dem Leib trugen. Viel Zeit um Koffer zu packen blieb nicht. Die Angst, der Tod war überall nachdem Wladimir Putin am 24.2.2022 die Ukraine überfiel. Sie wussten nicht, wen es als Nächstes treffen würde, einen Freund, eine Freundin, die eigene Familie?


In all dem Unglück hatten die Leute aber auch Glück, dass sie in Vianden auf groβe Solidarität stieβen. Die Fraen a Mammen übernahmen gleich am ersten Tag, als sie von der Ankunft der Gefüchteten erfuhren, die Initiative Kleider, Schuhe, Hygieneartikel, Pampers, Kleiderbettchen, Badewannen, Kinderwagen in die Herberge zu liefern. Das Lehrpersonal der Viandener Primärschule sammelte mit seinen Schützlingen ‘tonnenweise’ Spielzeug, Bücher, Gesellschaftsspiele .

Ausser der materiellen Hilfe wurden tägliche Sprachkurse abgehalten, Sehenswürdigkeiten besucht und die Integration in das gesellschaftliche Leben von Vianden gefördert. Der Umzug an Karfreitag mit dem, mit blau-weissen Papierblumen dekorierten ’Jaudes’, das Einsammeln der Ostereier oder die Beteiligung am 1.Mai Umzug sind nur einige Beispiele.


“Die Viandener Leute sind sehr nett” sagt Anastasia. Sie war15, als sie mit ihrer Mutter, ihren 2 Schwestern und dem Vater aus der Ukraine floh. Darf sie glücklich sein, solange zu Hause Bomben fallen? Anastasia und ihre Mutter sind sehr besorgt und stehen über Handy in täglichem Kontakt mit ihrem 77-jährigen Groβvater, der sein Land nicht verlassen will, der seine Frau, die vor 2 Jahren verstorben ist, nicht allein zurücklassen will. In all dem Unglück hatte Olesias Familie aber viel Glück. Für ein halbes Jahr konnten sie in einem Wochenendchalet zusammen leben. Jetzt wohnen sie mit anderen geflüchteten ukrainischen Familien in Diekirch in der Cité militaire. Anastasia besucht das Lyzeum Edward Steichen in Clervaux.


Olesia, ihre Mutter, ihr kleiner Bruder und ihre Grosseltern wissen auch, was es bedeutet, Menschen und Orte zurückzulassen. Der Vater ist noch in der Ukraine. Er kümmert sich um das Haus und die Tiere. Vor kurzem wurde er an der Wirbelsäule operiert. Er bangt um den Brief, in dem steht, dass er kämpfen muβ, ein Schreiben, das täglich kommen kann. Seine Familie steht mit ihm in telefonischem Kontakt, sofern er Strom hat um sein Handy zu laden. Diese Familie wohnt gemeinsam in einem Haus in Schouweiler. “Wir sind sehr dankbar” sagt Tetiana, die Grossmutter. Alle paar Minuten bedankt sie sich im Gespräch für irgendetwas oder einfach für alles.


Regelmässig werden die, bereits als ‘ukrainische Viandener’ benannten Familien, von den Fraen a Mammen in Vianden empfangen, sei es beim Weihnachtsmarkt, Palmsonntag-Basar, für Spielnachmittage, derVernissage einer Ausstellung usw.


Wahre Freundschaften sind entstanden, was die Groβe Zusammenkunft vom Samstag, dem 11.3. bestätigt. Nach einer oekumenischer Feier in der Trinitarierkirche und dem gemeinsamen Mittagessen in der Jugendherherberge wurden beim ‘Vic Abens’ Denkmal Blumen niedergelegt.

Nico Walisch, Viandener Koordinator der asbl ‘Reech eng Hand’, welcher regelmässig die ihm, bei musikalischen Auftritten gespendeten Gelder nutzt um freizeitaktivitäten für die ukrainischen Kinder und Jugendliche zu finanzieren, ist auch der Kopf und groβzügiger Spender der heutigen Zusammenkunft. In seiner Ansprache ging er nochmals auf das Schicksal der ukrainischen Geflüchteten und die groβe Solidarität vieler Viandener Freiwilligen, Luxemburger und Portugiesen ein, bevor er Anastasia das Wort übergab. Ein Empfang im Viandener Rathaus sowie das Treffen im ‘ancien cinéma’ schloss den bewegten Tag.


Es erübrigt sich hinzuzufügen dass, im Hinblick auf das, was die ukrainischen Familien erlebt haben, die freiwilligen privaten Helfer essenziell sind, damit ein Flüchtlingsleben gelingen kann... dass der Staat und die Gemeinden nicht alles allein schaffen können.


Gaby Heger