Weicherdingen: Das Unglückskreuz am Leichenweg.

Über den Leichenweg brachten die Pfarrkinder von Mecher ihre Toten zum Weicherdinger Friedhof.

Oben am Leichenweg ruft ein steineres Unglückskreuz böse Erinnerungen wach.

Hier wurde am Nachmittag des 12. Juni 1917 der siebenundzwanzigjährige Joseph SASSEL vom Blitz erschlagen.

Die Weicherdinger wissen aus Erfahrung, dass sich über ihrem Dorf und über der ganzen Hochfläche oft unheilbringende Gewitter entladen.

Dies gilt besonders für den Flurbereich um den sogenannten Leichenweg, von Wanzelbur bis Rodapfel und von der Bouch bis Krommenthal.

Die sonst eher furchtlosen Bauern verliessen seit jeher bei aufziehenden Unwettern eiligst diese Gegend, zumal das am Leichenweg aufgestellte Unglückskreuz sie immer noch an den tragischen Tod ihres Mitbürgers Joseph SASSEL erinnert.

Der 13. Juni 1917 war ein schwülwarmer Tag.

Die Landleute schufteten und schwitzten auf ihren Äckern, Joseph SASSEL aus dem Hause "André" und seine drei Schwestern Catherine, Justine und Sisy auf ihrem Runkelrübenfeld "op Roudapel", wo sie mit Jäten und Auslichten beschäftigt waren.

Am Nachmittag ballten sich im Nordwesten dunkle Gewitterwolken zusammen, türmten sich rasch auf und verfinsterten bald den ganzen Himmel.

Die wetterkundigen Landleute erkannten die drohende Gefahr. Sie warfen ihr Arbeitsgerät an den Feldrand und versuchten auf dem kürzesten Weg das Dorf zu erreichen. Auch die Geschwister SASSEL.

Catherine war vorausgeeilt, den Leichenweg hinauf, und hatte Schutz unter einem Schuppen gesucht. Joseph und die zwei anderen Schwestern folgten bald.

Ringsum zuckten die Blitze und krachte der Donner. Wie ein Verfolgter hetzte Joseph seinen Schwestern voraus.

Da zerriss ein blendender Blitzstrahl den schwarzen Wolkenvorhang, und Joseph sank vor den Augen der entsetzten Schwestern, tödlich getroffen auf den Feldweg. Diese Standen einen Augenblick wie gelähmt, sie konnten das Schreckliche nicht fassen. Die eine kniete neben dem Unglücklichen nieder, während die andere dem Dorf zu rannte und den Eltern die Hiobsbotschaft brachte. Wie ein Lauffeuer verbreitete sich die furchtbare Kunde im Dorf.Man eilte zur Unglücksstelle.

Joseph brauchte keine Hilfe mehr. Wie der Blitz ihn getroffen hatte, konnte nicht festgestellt werden, aber die rundköpfigen Eisennägel in den Schuhsolen waren verglüht.

Pierre Dedoyard, ein hilfsbereiter Bauersmann überführte den Toten auf einem Teimer ins Elternhaus.

Eltern und Geschwister waren schier verzweifelt, untröstlich das Mädchen, das ihm zugetan war, und die ganze Dorfgemeinschaft nahm aufrichtigen Anteil am Schmerz und an der Trauer der Angehörigen.

Eine Tageszeitung verbreitete die betrübliche Nachricht im ganzen Land.

Zum Gedenken an den Tod ihres geliebten Sohnes stellten die Eltern an der Unglücksstelle ein Kreuz auf.

Es scheint ein altes Kirchhofkreuz zu sein. Es steht auf einem Granitsockel von 79 cm Höhe. Das Kreuz selbst ist 91 cm hoch und 70 cm breit. Kreuzschaft und Kreuzbalken gleichen einem Baumstumpf mit abgesägten Ästen.

Auf der Inschrifttafel im Sockel steht in gothischen Buchstaben:

Hl. Donatus bitte für uns

Frommes Andenken an Joseph SASSEL

hier gestorben am 12. Juni 1917, alt 27. Jahre

R.I.P.