Echternacher Festival - Himmel voller Gitarren

Der Gitarrist Larry Coryelll gilt als einer der Heroen der Fusion-Musik der frühen 1970er-Jahre. Mit seiner Combo „The Eleventh House“ gehörte der Amerikaner zu den Wegbereitern der im wahrsten Sinne des Wortes „elektrisierenden“ Verbindung von Jazz und Rock-Musik.

Wer den Namen noch immer mit derartigen Grenzgänger-Experimenten verband, hatte zum Auftakt der Jazz-Herbstsaison des Echternacher Festivals am vergangenen Freitagabend eine Überraschung zu gewärtigen: Der 1942 geborene Sohn eines Atomphysikers hat sich von einem Jazz-Rebellen zu einem geradezu klassischen Jazz-Gitarristen gewandelt – nicht im Sinne von „altersbrav“, sondern vielmehr musikalisch gereift.

Das Publikum in Echternach erlebte einen beinahe „klassischen“ Jazzgitarren-Abend mit Reminiszenzen an die West-Coast-Schule und Virtuosen der semi-akustischen Jazzgitarre wie Wes Montgomery oder Kenny Burrell. Das Repertoire bestand entsprechend überwiegend aus Standards, darunter „Like Someone in Love“, „Noites Cariocas“ und „Someday my Prince Will Come“.

Dass der Abend trotz dieser instrumentalen Monokultur keinen Moment lang eintönig, vielmehr spannend geriet, ist das Verdienst von fünf Ausnahmemusikern. Denn auf der Bühne spielten drei nicht bloß versierte, sondern wahrlich virtuose, ja kongeniale Begleiter: der in seiner Vielseitigkeit erstaunliche Andreas Dombert, der vom Bossa Nova kommende, stets swingende Paulo Morello und der stupende Helmut Kargerer, dessen Instrument den schönsten Klang hatte. Zusammen mit Coryell spielten sie sich die „Bälle” zu und wechselten scheinbar mühelos zwischen Solo- und Begleitinstrument hin und her.

Freitagnacht in Echternach

Zu Beginn des zweiten Drittels des Konzerts verließen Coryells Ko-Musiker die Bühne, die dann Philip Catherine betrat, bevor beide im Duo zu spielen begannen. Der von Coryell als „Meister des romantischen Stils“ angekündigte belgische Gitarrist ist ein wahres „monstre sacré“. Den massigen Körper über sein Instrument gebeugt, entlockte Catherine seiner Gitarre Klänge voller Gefühl, wie nur er es fertigbringt. Dabei ergänzen sich der eher unsentimentale Stil des Amerikaners, mit der an Wes Montgomery erinnernden, belegten Spielweise, und der von der „europäischen Schule“ beeinflusste, unverwechselbare, melancholische Stil des Anglo-Belgiers vorzüglich. So entpuppte sich der zweite Titel, Catherines Hommage an den Gitarristen „René Thomas“, als einer der musikalischen Höhepunkte des Abends.

Im letzten Drittel des Konzerts saßen dann wieder fünf Gitarristen als „Gleiche unter Gleichen“ nebeneinander auf der Bühne. Es wurde kein Starkult betrieben, sondern die fünf Instrumentalisten kommunizierten dank ausgefeilter Arrangements tatsächlich musikalisch. Die zweite Zugabe schließlich, Miles Davis’ „Boplicity“, geriet schon zu einer kleinen Jam-Session. So erinnerte die „Night of Jazz Guitars“ in ihrer klassischen Schönheit und als Hommage an die Instrumentaltradition – wohl nicht zufällig – an die Formel des Gitarren-Trios Al DiMoela/John McLaughlin/Paco de Lucia auf deren inzwischen zum Klassiker avancierten Live-Album „Friday Night in San Francisco“ von 1981. (Text: Wolf von Leipzig / Fotos: Willy De Jong)