Gestern wurde der Erweiterungsbau des „Service national de psychiatrie juvénile“ am Hôpital Kirchberg offiziell eröffnet. Dessen Kapazität wurde von 15 auf 23 Betten aufgestockt. Eine Vergrößerung, die dringend nötig war, da die Station seit 2007 chronisch überlastet ist. Alleine im Jahr 2011 gab es in der Jugendpsychiatrie auf Kirchberg 250 Aufnahmen.
Von einem „wichtigen Tag“ sprach gestern Gesundheitsminister Mars Di Bartolomeo, denn es sei Platz geschaffen worden, „der dringend nötig war“. Tatsächlich litt der „Service national de la psychiatrie juvénile“ am Hôpital Kirchberg in den letzten Jahren stets an akutem Platzmangel. Bereits im Jahr 2003, als der „Service national“ seine Arbeit aufnahm, wurden 160 junge Menschen zwischen 14 und 18 Jahren aufgenommen. Diese Zahl ist seitdem stetig gestiegen: Letztes Jahr wurden 250 Jugendliche in der Station betreut.
Dabei handelt es sich zur Hälfte um Notfälle, zum Beispiel um Jugendliche nach einem Selbstmordversuch oder einer Verhaltenskrise. „Oft handelt es sich in diesen Fällen um Probleme, die schon lange andauern, wo aber ein Tropfen das Fass zum Überlaufen gebracht hat“, erklärt Dr. Christopher Goepel, einer der beiden Leiter des „Service national“.
Die andere Hälfte der Patienten stellen Jugendliche dar, für die eine ambulante Pflege nicht ausreichend wäre. Denn in der Klinik können die Ärzte und das Pflegepersonal viel stärker auf die Patienten einwirken. Individuelle Therapiepläne werden ausgearbeitet, denn es sei wichtig, den Jugendlichen einen festen Stundenplan zu geben. Die Pläne reichen vom Schulunterricht (der teils außerhalb, teils innerhalb der Station stattfinden kann) über sportliche Aktivitäten bis hin zum Fernsehen. Außerdem werden einmal pro Woche die Eltern zu einem Termin gerufen.
Eine „Extremsituation“
für die Familie
„Gegenüber der Psychiatrie für Erwachsene haben wir eine Doppelarbeit zu verrichten“, erklärt Christopher Goepel weiter. Denn die meisten Eltern seien sich der Probleme ihres Kindes nicht genügend bewusst und würden von einem Tag zum andern mit der Problematik konfrontiert. „Auch Großeltern und Tanten schalten sich ein und glauben dann, alles besser zu wissen“.
Denn ein Aufenthalt in einer Psychiatriestation löse meistens eine „Extremsituation“ in der betroffenen Familie aus.
Doch warum ist die Zahl der Patienten in den letzten Jahren gestiegen? Christopher Goepel erklärt dies einerseits durch die seit 2009 funktionierende „Clearingstelle“. Diese kann von anderen Dienststellen, wie zum Beispiel dem SPOS, auf schwierige Fälle aufmerksam gemacht werden und gegebenenfalls den Eltern eine Internierung vorschlagen. „Auch wenn eine stationäre Behandlung nicht die Lösung für alles ist“, fügt er gleich an.
Andererseits habe der familiäre Zusammenhalt in der Gesellschaft stark nachgelassen: Zum Teil konfliktreiche Trennungen nehmen zu, während manche Eltern ganz einfach überfordert sind. Auch verzichten manche Familien auf empfohlene Therapien, oft der Kosten wegen. Generell werde einfach zu lange gewartet, bevor etwas unternommen werde, bis, wie es scheint, auf einmal der Jugendliche in der Schule rebelliert oder sogar gegenüber seinen eigenen Eltern gewalttätig wird. Viele Patienten sind aber auch Kinder von Asylbewerbern und wurden besonders schwierigen Situationen ausgesetzt.
Im Durchschnitt bleiben Patienten etwa 30 Tage in der Abteilung. Hinter diesem Wert verstecken sich aber ganz verschiedene Realitäten, erklärt Christopher Goepel weiter. Während bei manchen Psychosen oder Anorexie-Fällen die Aufenthalte sich über viel längere Zeit hinziehen können, genügen in einzelnen Fällen zweitägige Besuche.
Den Erfolg der Abteilung misst Christopher Goepel am sogenannten „taux de réadmission“, der Anzahl der Patienten, die ein zweites Mal vom „Service national de psychiatrie juvénile“ auf Kirchberg aufgenommen werden. Dieser liegt bei nur 3,5 Prozent. Was aber nicht bedeutet, dass nach einer Entlassung alles automatisch in Ordnung sei. Deshalb wird auch eine nachträgliche Betreuung in die Wege geleitet.
Mit den jetzt 23 Betten – wobei es sich bei den neuen Zimmern, dem Aufenthaltsraum und dem Pflegestützpunkt um eine moderne Containerlösung handelt – zeigt sich Christopher Goepel zufrieden. Der „Service national de psychiatrie juvénile“ verfügt auch über eine Tagesklinik, die eine Kapazität von 15 Patienten aufweist. Diese wurde vor kurzem provisorisch in Esch/Alzette untergebracht.
Als es diese Infrastrukturen noch nicht gab, wurden Jugendliche oft in unangemessene Anstalten eingewiesen. Auch in Haftanstalten. Es bestehe aber auch nach dieser Vergrößerung ein großer Handlungsbedarf im Bereich Psychiatrie, betonte Minister Mars Di Bartolomeo gestern. Luxemburg habe weiterhin einen Rückstand in diesem Bereich. So werde auch weiter an einer permanenten Lösung für die Tagesklinik gearbeitet, unterstrich er in Präsenz des Generaldirektors der Fondation Elisabeth, Paul Wirtgen.
Jetzt gelte es aber auch, die vorhandenen Kräfte weiter so zu vernetzen, dass den Patienten adäquat geholfen werden könne. Denn, wie der Minister bemerkte, sind seelische Probleme immer noch schwerer zu heilen als physische Wunden. (Text: Nicolas Anen / Foto: Michel Brumat)
Von einem „wichtigen Tag“ sprach gestern Gesundheitsminister Mars Di Bartolomeo, denn es sei Platz geschaffen worden, „der dringend nötig war“. Tatsächlich litt der „Service national de la psychiatrie juvénile“ am Hôpital Kirchberg in den letzten Jahren stets an akutem Platzmangel. Bereits im Jahr 2003, als der „Service national“ seine Arbeit aufnahm, wurden 160 junge Menschen zwischen 14 und 18 Jahren aufgenommen. Diese Zahl ist seitdem stetig gestiegen: Letztes Jahr wurden 250 Jugendliche in der Station betreut.
Dabei handelt es sich zur Hälfte um Notfälle, zum Beispiel um Jugendliche nach einem Selbstmordversuch oder einer Verhaltenskrise. „Oft handelt es sich in diesen Fällen um Probleme, die schon lange andauern, wo aber ein Tropfen das Fass zum Überlaufen gebracht hat“, erklärt Dr. Christopher Goepel, einer der beiden Leiter des „Service national“.
Die andere Hälfte der Patienten stellen Jugendliche dar, für die eine ambulante Pflege nicht ausreichend wäre. Denn in der Klinik können die Ärzte und das Pflegepersonal viel stärker auf die Patienten einwirken. Individuelle Therapiepläne werden ausgearbeitet, denn es sei wichtig, den Jugendlichen einen festen Stundenplan zu geben. Die Pläne reichen vom Schulunterricht (der teils außerhalb, teils innerhalb der Station stattfinden kann) über sportliche Aktivitäten bis hin zum Fernsehen. Außerdem werden einmal pro Woche die Eltern zu einem Termin gerufen.
Eine „Extremsituation“
für die Familie
„Gegenüber der Psychiatrie für Erwachsene haben wir eine Doppelarbeit zu verrichten“, erklärt Christopher Goepel weiter. Denn die meisten Eltern seien sich der Probleme ihres Kindes nicht genügend bewusst und würden von einem Tag zum andern mit der Problematik konfrontiert. „Auch Großeltern und Tanten schalten sich ein und glauben dann, alles besser zu wissen“.
Denn ein Aufenthalt in einer Psychiatriestation löse meistens eine „Extremsituation“ in der betroffenen Familie aus.
Doch warum ist die Zahl der Patienten in den letzten Jahren gestiegen? Christopher Goepel erklärt dies einerseits durch die seit 2009 funktionierende „Clearingstelle“. Diese kann von anderen Dienststellen, wie zum Beispiel dem SPOS, auf schwierige Fälle aufmerksam gemacht werden und gegebenenfalls den Eltern eine Internierung vorschlagen. „Auch wenn eine stationäre Behandlung nicht die Lösung für alles ist“, fügt er gleich an.
Andererseits habe der familiäre Zusammenhalt in der Gesellschaft stark nachgelassen: Zum Teil konfliktreiche Trennungen nehmen zu, während manche Eltern ganz einfach überfordert sind. Auch verzichten manche Familien auf empfohlene Therapien, oft der Kosten wegen. Generell werde einfach zu lange gewartet, bevor etwas unternommen werde, bis, wie es scheint, auf einmal der Jugendliche in der Schule rebelliert oder sogar gegenüber seinen eigenen Eltern gewalttätig wird. Viele Patienten sind aber auch Kinder von Asylbewerbern und wurden besonders schwierigen Situationen ausgesetzt.
Im Durchschnitt bleiben Patienten etwa 30 Tage in der Abteilung. Hinter diesem Wert verstecken sich aber ganz verschiedene Realitäten, erklärt Christopher Goepel weiter. Während bei manchen Psychosen oder Anorexie-Fällen die Aufenthalte sich über viel längere Zeit hinziehen können, genügen in einzelnen Fällen zweitägige Besuche.
Den Erfolg der Abteilung misst Christopher Goepel am sogenannten „taux de réadmission“, der Anzahl der Patienten, die ein zweites Mal vom „Service national de psychiatrie juvénile“ auf Kirchberg aufgenommen werden. Dieser liegt bei nur 3,5 Prozent. Was aber nicht bedeutet, dass nach einer Entlassung alles automatisch in Ordnung sei. Deshalb wird auch eine nachträgliche Betreuung in die Wege geleitet.
Mit den jetzt 23 Betten – wobei es sich bei den neuen Zimmern, dem Aufenthaltsraum und dem Pflegestützpunkt um eine moderne Containerlösung handelt – zeigt sich Christopher Goepel zufrieden. Der „Service national de psychiatrie juvénile“ verfügt auch über eine Tagesklinik, die eine Kapazität von 15 Patienten aufweist. Diese wurde vor kurzem provisorisch in Esch/Alzette untergebracht.
Als es diese Infrastrukturen noch nicht gab, wurden Jugendliche oft in unangemessene Anstalten eingewiesen. Auch in Haftanstalten. Es bestehe aber auch nach dieser Vergrößerung ein großer Handlungsbedarf im Bereich Psychiatrie, betonte Minister Mars Di Bartolomeo gestern. Luxemburg habe weiterhin einen Rückstand in diesem Bereich. So werde auch weiter an einer permanenten Lösung für die Tagesklinik gearbeitet, unterstrich er in Präsenz des Generaldirektors der Fondation Elisabeth, Paul Wirtgen.
Jetzt gelte es aber auch, die vorhandenen Kräfte weiter so zu vernetzen, dass den Patienten adäquat geholfen werden könne. Denn, wie der Minister bemerkte, sind seelische Probleme immer noch schwerer zu heilen als physische Wunden. (Text: Nicolas Anen / Foto: Michel Brumat)