Rückbesinnung auf ethische Grund werte

Kardinal Oscar Andrés Rodríguez Maradiaga plädiert für eine Globalisierung der Solidarität


Lobenswert findet es Kardinal Oscar Andrés Rodríguez Maradiaga, dass die Welt infolge der Wirtschaftskrise über ihre ethischen Grundwerte nachdenkt. Jedoch befürchtet der Präsident von Caritas Internationalis, dass die Ethik in Wirtschaft und Finanzen zu einem bloßen Modewort verkommen ist. Seine Hoffnungen setzt der Honduraner in die junge Generation.

Dem Nord-Süd-Dialog in Zeiten der Globalisierung ist die diesjährige Ausgabe der Journées sociales gewidmet, die gestern Abend im Forum Geesseknäppchen begannen. Als Gastreferenten hatten die Veranstalter den Präsidenten von Caritas Internationalis, Kardinal Oscar Andrés Rodríguez Maradiaga gewonnen. Als unermüdlichen Kämpfer für die sozialen Rechte der Menschen beschrieb Saint-Paul-Generaldirektor Paul Lenert in seinem Grußwort den Gast aus Honduras, der am 5. Juni 2007 an die Spitze der katholischen Wohlfahrtsorganisation gewählt worden war.

Kardinal Rodríguez Maradiaga wurde am 29. Dezember 1942 in der honduranischen Hauptstadt Tegucigalpa geboren. Zunächst wurde er zum Grundschul- und Sekundarschullehrer ausgebildet, studierte zudem Philosophie und Moraltheologie. Im Juni 1970 wurde er zum Priester geweiht, im Dezember 1978 erfolgte die Bischofsweihe, 1993 wurde er zum Erzbischof seiner Geburtsstadt ernannt, im Januar 2001 erfolgte die Ernennung zum Kardinal. Nach dem Tod von Johannes Paul II. galt der Honduraner eine Zeitlang als Favorit für das Papstamt.

Dem Publikum im Forum Geesseknäppchen legte der glühende Verfechter der katholischen Soziallehre dar, wieso seiner Ansicht nach die sozialen Ungleichheiten in der Welt durch die Globalisierung eher verschärft als ausgemerzt werden. „Die Schere zwischen Reich und Arm wird größer, und das selbst in den vermeintlich wohlhabenden Ländern“, sagte der Gastreferent den rund 200 Zuhörern, zu denen auch Erbgroßherzog Guillaume zählte. Des Weiteren hatten sich Erzbischof Fernand Franck, Generalvikar Mathias Schiltz, Caritas-Präsident Erny Gillen, Parlamentspräsident Laurent Mosar, Premier Jean-Claude Juncker (der die Schlussworte sprach), Ministerin Octavie Modert, einige CSV-Abgeordnete um Fraktionschef Jean-Louis Schiltz sowie der langjährige Generaldirektor von Saint-Paul und Chefredakteur des „Luxemburger Wort“, Léon Zeches, im Forum Geesseknäppchen eingefunden.

Am Morgen war Kardinal Rodríguez Maradiaga von Großherzog Henri und Großherzogin Maria Teresa im Palais in Audienz empfangen worden. Zudem standen Unterredungen mit Entwicklungsministerin Marie-Josée Jacobs, mit Parlamentspräsident Laurent Mosar sowie mit Vertretern von Caritas Luxemburg auf dem Programm des sozial engagierten Kirchenmannes. Im Mittelpunkt dieser Gespräche standen die Rolle von Caritas als Akteur der Entwicklungshilfe, der Nord-Süd-Dialog sowie die Bekämpfung der Armut.

„Eine gute Idee kann die Welt verändern“

Dass die internationale Staatengemeinschaft über die notwendigen Mittel verfügt, um Armut und Hunger, aber auch um Geiz und Gier auszumerzen, davon ist Kardinal Rodríguez Maradiaga überzeugt. Schließlich hätten die zwanzig größten Wirtschaftsnationen der Welt ihren Willen zum Handeln unter Beweis gestellt, als es in der jüngsten Vergangenheit darum ging, die globale Finanzwelt vor dem Absturz zu bewahren. Seine Hoffnungen setzt der Präsident von Caritas Internationalis in die jüngere Generation – und in die Schüler des Lycée Aline Mayrisch, mit denen er gestern in Dialog trat. „Ihr müsst den Mut aufbringen, um euch für eine gerechte und menschliche Welt einzusetzen. Für euch bedeutet eine solche Welt vielleicht etwas weniger Luxus. Die Bevölkerung in den ärmeren Teilen der Welt wird euch aber in ewiger Dankbarkeit verbunden sein.“

Dass die junge Generation dazu in der Lage ist, die Schattenseiten der Globalisierung einzudämmen, daran ließ der Gast aus Honduras keinen Zweifel. Sie müssten nur den notwendigen Willen aufbringen, um „mit einer einzigen guten Idee die Welt zu verändern.“ Weniger Hoffnungen setzt der Kardinal in die Wandlungsfähigkeit des Kapitalismus nach der Weltwirtschaftskrise.

Zwar sei derzeit viel von Ethik in der Finanzwelt die Rede, doch allzu häufig handele es sich dabei um ein bloßes Modewort und Marketinginstrument, frei von allen Werten. Dass die Finanzmärkte an sich böse sind, glaubt der Verteidiger der katholischen Soziallehre jedoch nicht: „Die Märkte sind weder gut noch böse. Alles hängt von den handelnden Menschen ab.“

Diese Menschen rief der Kardinal auf, sich auf Grundwerte wie Wahrheit, Gerechtigkeit und Freiheit zurückzubesinnen und dabei die Armen nicht zu vergessen: „Nach der Globalisierung der Wirtschaft brauchen wir eine Globalisierung der Solidarität.“

Die Journées sociales werden heute Morgen mit einer Reihe von Workshops fortgesetzt, die das Thema Globalisierung und Nord-Süd-Dialog vertiefen werden. (VON JOELLE MERGES - FOTOS:GUY JALLAY)