Besuch in der Manufaktur Roland Dupin - „Eine wahre Liebesgeschichte“

Die weiße Fassade des Einfamilienhauses in Moutfort lässt nicht erahnen, welch regelrechte Schatzkammer sich dahinter verbirgt.

Erhascht man einen kurzen Blick durch die heruntergelassenen Jalousien, dürften auch die mit Handwerkzeug übersäten Arbeitstische nicht vermuten lassen, dass hier einzigartige Kleinode entstehen. Dennoch gilt die seit 1999 dort beheimatete Manufaktur Roland Dupin in der internationalen Musikwelt als unbestrittene Referenz in Sachen Oboen. Besuch in einem traditionsreichen Familienbetrieb, in dem Tag für Tag Handwerk und Kunst mit der gleichen Hingabe gepflegt werden.

Werbung hat die Instrumente-Manufaktur Roland Dupin noch nie geschaltet, auch auf internationalen Messen sucht man einen Stand des Zwei-Mann-Betriebs vergeblich. Der Grund hierfür ist erdenklich einfach: Das Auftragsbuch der Oboenbauer aus Moutfort ist so gut gefüllt, dass sie sich über mangelndes Interesse, geschweige denn zu wenig Aufträge, mit Sicherheit nicht beklagen dürften.

Selbst mit einem je nach Modell immerhin zwischen 9 000 und 11 000 Euro angesetzten Verkaufspreis, verschwenden die Dupins keinen Gedanken an billigere Konkurrenz aus Asien: „Man hat schon oft versucht, uns zu kopieren, aber die Klangfarbe eines ,Dupin‘ bleibt einzigartig – auch über Jahrzehnte hinweg!“, erklärt Firmengründer Roland sichtlich stolz – die eigene Auflistung auf Wikipedia als einer der „wichtigen Oboenhersteller der Welt“ hingegen läßt den resoluten Handwerker eher kalt.

Monate-, gar jahrelange Wartezeiten werden von internationalen Solisten geduldig in Kauf genommen, um auf einer Dupin-Oboe spielen zu können. Musiker wie Christophe Hartmann (Berliner Philharmoniker), John Anderson (BBC Symphony Orchestra), Marten Larsson (Gothenburg Symphony Orchestra) oder Yosuke Nakane aus Tokyo, um nur einige wenige Solisten aufzuführen, nennen ein Instrument aus dem Traditionshaus ihr Eigen und schwören auf seinen unverkennbaren Klang.

Fachwissen und Improvisationstalent

Begonnen hatte alles 1978 mit dem Besuch des Musikers Alf Nilsson von der Stockholmer Philarmonie in seiner damals in Zürich beheimateten Werkstatt: Nach diesem verbreitete sich das Renommee der Manufaktur Dupin wie ein Lauffeuer. „Eigentlich ist es ganz simpel: Wenn man Qualität großschreibt, spricht sich dies schnell herum, und man kann sich vor Bestellungen förmlich nicht mehr retten“, erklärt der in Paris geborene Roland Dupin, der 1955 beim Oboenbauer Charles Rigoutat seine Ausbildung begann.

Wie weit Rigoutats ehemaliger Lehrling es heute gebracht hat, dürfte seinen Meister mit dem gleichen Stolz erfüllen, den Vater Roland für seinen Sohn Christophe empfindet, der das Familienunternehmen heute – mit „Meisterhand“, wie er sichtlich bewegt gesteht – leitet.

Nach Frankreich zieht es den Instrumentenbauer Mitte der 70er-Jahre in die Schweiz, wo der Sohn, der ab dem Alter von elf Jahren im väterlichen Atelier eine Hand mit anpackt und so ganz natürlich in die hohe Kunst des Oboenbaus eingeführt wird, seine Ausbildung 1978 mit einem Diplom erfolgreich abschießt und in seine Fußstapfen tritt. Ab 1999 lassen sich die Dupins im Großherzogtum nieder, fortan ist Moutfort – über die Grenzen Luxemburgs hinaus – der Geheimtipp in Sachen Oboen.

„Die meisten unserer Werkzeuge müssen wir selbst erfinden, um auftretende Problemstellungen so effizient wie möglich zu lösen“, erklärt Christophe Dupin. Hierbei gilt es, fernab erprobter Denkschemen, auch mal neue Wege zu beschreiten, und mit einer guten Portion Improvisationstalent innovativ zu sein. „Dann kann auch eine einfache Nähnadel – selbstverständlich nur nach entsprechend fachmännischer Bearbeitung – zu einem optimalen Oboenbestandteil werden“, meint Roland Dupin augenzwinkernd.

Ganz und gar nicht amüsiert sind Vater und Sohn jedoch über den Stellenwert, den das Handwerk in der modernen Gesellschaft hat: „Heutzutage genießen Handwerker nicht nur den ihnen durch ihr Fachwissen und ihre Fertigkeiten eigentlich entsprechenden und somit zustehenden, guten Ruf, sondern werden auch noch für ihre Arbeit oft schlecht bezahlt“, meint Roland Dupin verdrießlich, während sein Sohn zustimmend nickt.

Doch auch für Zunftgenossen hat der alte Oboenbauer mahnende Worte: „Wer gleich auf Qualitätsarbeit setzt, spart sich eine Menge Kundendienst – viele bedenken dies nicht.“

Gegenmittel im Kampf gegen lauernde Schwarzseherei

Dabei wirkt das handwerkliche Schaffen der Zwei für den Laien wie ein stets erneuertes, kleines Wunder, das aus einem scheinbar leblosen Stück Holz – z. B. Grenadill, Ebenholz oder Cocobolo – ein beseeltes Instrument wird, das zwischen den Fingern des Musikers regelrecht zum Leben erwacht.

Alles beginnt mit einer ganz feinen Bohrung, die durch das Stück getrieben wird. Unzählige weitere Arbeitsschritte folgen. So muss ein Oboenbauer auch eine gehörige Portion Geduld als notwendige Tugend mitbringen, denn nach jeder erneuten Bearbeitung gilt es, das Holz erneut ruhen zu lassen. „Dieses Stück hier, aus dem unser nächstes Instrument entsteht, habe ich 1978 gekauft“, erinnert sich Roland Dupin.

Zudem beschränkt sich das Duo nicht einzig darauf, sein Wissen weiterhin fachmännisch umzusetzen, sondern wagt sich bereitwillig in Neuerungen vor. „Wir hatten eine Anfrage eines finnischen Musikers, der die Wirkung der heimatlichen Temperatur- und Luftfeuchtigkeits-Unterschiede auf seine Oboe beklagte“, so der Instrumentenhersteller, der ausführt, „Also haben wir ganz konkret versucht, das Problem zu lösen und das Holz durch einen selbst entwickelten Kunstharz zu ersetzen.“ Selbst Puristen ließen sich im Nachhinein – durch einen simplen Selbstversuch – überzeugen, dass man auch aus synthetischem Material ein ebenbürtiges Instrument fertigen könne, ergänzt sein Sohn derweil.

„Während ein Handwerker mit seinen Händen arbeitet, überlegt er sich gleichzeitig mögliche Weiterentwicklungen in seinem Kopf“, umreißt Roland Dupin seine Arbeit. Dass dies auf Dauer nicht nur den Geist schärft, sondern auch jung hält, verdeutlicht der wache Blick von Vater Roland, für den Tradition gleichbedeutend mit Leidenschaft und Fortschritt ist.

Für die Entwicklung seiner Instrumente dient den Dupin-Meistern oft die Natur als Inspirationsquelle und Vorlage: „Unsere ,Impérial‘-Oboe, die wir 2000 auf den Markt gebracht haben, dienten die Rundungen des weiblichen Körpers als Modell“, erklärt Roland Dupin. Eigentlich kein Wunder also, dass, um seine Beziehung zu seinem Beruf zu beschreiben spontan „eine wahre Liebesgeschichte“ aus ihm heraussprudelt. „Musik ist eines der wenigen wirksamen Gegenmittel, die uns im Kampf gegen die stetig lauernde Schwarzseherei übrig geblieben sind“, meint Christophe Dupin, der selbst Oboe und Gitarre spielt und schon ein Album aufgenommen hat, und fügt abschließend hinzu, „Sie vermag Glück in unser Leben zu zaubern und sollte demzufolge als etwas Kostbares anerkannt und gewahrt werden.“

Um die Nachfolge machen sich die Dupins derweil nicht allzu viele Sorgen: Christophes ältester Sohn schaut am schulfreien Samstag bereits in der Werkstatt vorbei – Blut ist nunmal dicker als Wasser ...

(Text: Vesna Andonovic / Fotos: Anouk Antony)