52. Begegnung des Centre européen d'études bourguignonnes zusammen mit der Uni Luxemburg, des Geschichtsmuseums der Stadt Luxemburg und des Cerle-Cité


Universität Luxemburg organisierte die 52. Rencontre du Centre européen d’études bourguignonnes im Cercle-Cité Luxemburg

Während drei Tagen organisierte die Uni Luxemburg die 52. Tagung des Centre Européen d’études bourguignonnes im städtischen Hörsaal Cercle-Cité. Hochrangige Geschichtsprofessoren von europäischen und amerikanischen Universitäten waren nach Luxemburg angereist (Lille, Glasgow, Lyon, Leuven, …) und hielten Exposés zum Thema „Mémoires conflictuelles et mythes concurrents dans les pays bourguignons (ca 1380-1580) und beantworteten anschließend die Fragen aus dem Publikum. Obwohl der Hörsaal des Cité nicht bis auf den letzten Platz gefüllt war, saßen doch zahlreiche geschichtsbegeisterte Zuhörer im Publikum. Der Dekan der Uni Luxemburg, Michel Margue, leitete die Tagung ein in dem er auf die Wichtigkeit der Gedächtnisforschung einging. Es wurde betont, dass es heute wichtig sei, der jungen heranwachsenden Generation die geschichtlichen Prozesse zu vermitteln, damit die Geschehnisse der Vergangenheit nicht ganz in Vergessenheit geraten. Gedächtnisbildung (französisch – „mémoire“) ist ein Forschungsfeld auf dem Gebiet der Geschichtswissenschaften, das sich erst rezent als Forschungsfeld etabliert hat. An der Universität Luxemburg ist vor allem die Einheit IPSE in diesem Bereich tätig und hat auch mehre Bücher herausgegeben. In diesem Sinne erläuterten die meisten Redner am Ende ihres Referates warum ihr Exposé ein Beitrag der Gedächtnisforschung ist. Die meisten Referate waren auf Englisch in Hand-outs aufgedruckt, die den Teilnehmer vorher zur Einsicht ausgeteilt wurden.
Im einführenden Teil dieser Tagung gingen die Jungforscher Jan Dumolyn (Universität Gent) und Graeme Small (Universität Glasgow) auf die burgundische Staatspropaganda ein und ihre Verkündung. Im System der mittelalterlichen Propagandaverbreitung gab es bestimmte Rituale, welche die Herrscher immer wieder benutzten. Es gab Rituale zwischen den städtischen Eliten und den unteren Gruppen, die strikt eingehalten wurden. Die Audienz war nicht nur der Prinz, sondern auch andere, untergegliederte soziale Gruppen. Es war ein Dialog zwischen Regierender und Regierendem vorhanden, der in diesen Prozessionen verbildlicht wurde. Im Jahre 1485 wurde eine neue Stadtdirektion in Bruges gewählt. Die Autorität der städtischen Regierenden wurde mit Gewalt, Verhandlungen, Prestige und göttlicher Unterstützung beizubehalten. Bei offiziellen Anlässen zur Würdigung des burgundischen Herrscherhauses wurden Prozessionen abgehalten, welche die Machtposition des Herrscherhauses für das Volk sichtbar werden lasse sollten. Die Eintritte Maximilians in Bruges waren der Höhepunkt der Selbstinszinierung der höfischen Macht Burgunds. Diese Prozessionen waren nicht nur bei einem neuen Machtantritt eines neuen Herrschers Höhepunkt des offiziellen Teiles, sondern auch bei der Darstellung der Prozession des Goldenen Vlies Ordens. Geschichte wird so im 21. Jahrhundert rekonstruiert und für das breite Publikum wieder lebendig gemacht. Die Popularität solcher Anlässe unterstreicht die vorrangige Stellung der Geschichte in der Gesellschaft. Noch im Jahre 2009 gab es solch eine Prozession in Bruges. Zusammenfassend kann man festhalten, dass es dem burgundischen Herrscherhaus prinzipiell darum ging, seine ganze Macht nach außen darzustellen und für jedermann sichtbar werden zu lassen. Um diesen Zweck zu erreichen scheuten sie vor nichts zurück und stellten ihre Macht prachtvoll mit Gold und Reichtum dar. Während Len Scales (Universität Durham) die Gemeinsamkeiten zwischen dem burgundischen Herrscherhaus und Deutschland hervorstrich und auch die deutschen Wesenszüge in der burgundischen Machtdemonstration offenbarte, veranschaulichte Rob C. Wegmann von der Princeton Universität die Darlegung Philipp des Guten.
Immer wieder wurde hervorgehoben, dass die Popularität des burgundischen Herrschaftsapparates darauf zurückzuführen ist, dass alle Teilnehmer der Machtdarstellung es verstanden, eine Symbiose zwischen lokaler und europäischer Popularität zu erzielen und das Herrscherhaus geschickt in Europa zu vermarkten.
Die Teilnehmer verschiedener Nationalitäten versuchten immer wieder, auf Besonderheiten des Burgunderzeitalters zu ihrem Heimatland einzugehen und diese bildlich darzustellen. So referierten sie zum Beispiel über die Auswirkungen auf Belgien und Holland in dem sie diese auch bildlich darstellten. Andrew Brown zeigte den Eintritt Maximilians in Bruges im Jahre 1486 und Mario Damen referierte über die Bedeutung der Burgunder und der europäischen Dimension der Schlacht und des Konventes von Scheut. Die in dieser Schlacht erlittene Niederlage hatte Auswirkungen für ganz Zentraleuropa.
Hans Cools von der katholischen Universität Leuven ging auf den Werdegang des luxemburgischen Herrscherhauses ein. Das luxemburgische Herrscherhaus war im 15. Zenit seiner Macht und besaß ein Territorium, das die Fläche des heutigen Luxemburg bei weitem übertrifft. Wegen fehlender männlicher Nachfolger musste das Haus Luxemburg seine Macht jedoch aufgeben.
Tobias Tanneberger von der Technischen Universität Dresden referierte über die „Genealogia principum Tungro-Brabantinorum“ . Dies ist ein neuer Forschungsbereich, in dem besonders über Dynastien, Identität und Transzendenz geforscht wird. Die Spielräume der Herrscher werden untersucht wie auch die pseudo-ethymologische Konstanz und Verwandschaft. Dabei wird auch mit Glossen gearbeitet und die Identität der verwandschaftlichen Beziehungen der Herrscherhäuser untersucht. Eine Herrschergenealogie macht nur dann sin, wenn sie den Bedarf stillt. Den Abschluss des zweiten Teiles dieser Tagung machte das Referat von Jean-Christophe Blanchard (Centre de Mediévistique Jean Schneider Nancy) mit dem Titel „Entre généalogie et mythologie : la mise en images de la mémoire dynastique dans les heures d’Antoine, duc de Lorraine“. Letzgenannter war thematischer Schwerpunkt der Referate, die den abschließenden Teil der Tagung bildeten.
Der zweite Teil der Tagung befasste sich mit dem Goldenem Vlies, einem Ritterorden der burgundischen Herzöge. Die Ritter des burgundischen Reiches nutzten eine goldene Kette mit einem Vlies zur äußeren Machtdemonstration. Die Mitglieder dieses Ordens stammten aus dem Herrschafts- und Adelsgeschlechts und waren über ganz Europa verteilt : unter ihnen waren Jacques de Luxembourg, der König von Flandern, der König von England …Die Mitglieder des Ordens hatten strenge interne Regeln aufgesetzt, an denen sich die Mitglieder halten mussten. Brach einer der Mitglieder diese Regeln, war er strengen Strafen ausgesetzt. Als Maximilan von Oesterreich neuer Römischer Herrscher werden sollte und Oberhaupt des Ritterordens werden sollte, gab es einen Zwiespalt und viele Mitglieder waren gegen ihn. Viele Mitglieder des Ritterordens des Goldenen Vlies sprachen sich jedoch gegen Maximilan und für seinen jüngsten Sohn aus, weil er ihnen zu tyrannisch war.
Im letzten Teil der Veranstaltung zeigten einige Redner Projektionen von prunkvollen Goldobjekten der Burgunder und Machtdemonstrationen des burgundischen Hofes. Immer wieder wird hier die Nähe zum spanisch-habsburgischen Stil deutlich. Der letzte Teil der Tagung befasste sich mit dem Thema Bruges als Sitz der heutigen Aktivitäten des Ordens. Die Präsentationen verbildlichten die Anziehungskraft der großen Schauaustellung, die um die Jahrtausendwende 1909 in Bruges organisiert wurde. Immer wieder wurde die Anziehungskraft des Goldenen Vlies bei den Menschen hervorgehoben und die Machtdemonstration des burgundischen Ordens unterstrichen. Die Burgunder bezweckten mit ihrem Reichtum und ihrem Besitztum an Gold ihre Macht nach außen darzustellen. Schöne Bilder gezeigt per Laptobprojektion machten den Reichtum der Burgunder sichtbar. Höhepunkt des abschließenden Teiles war das Referat von Juan Luis Gonzalez Garcia (Universidad Complutense, Madrid). In seinem Referat zeigte der Redner Bilder von goldverzierten Schiffen, absolute Höhepunkte burgundischer Machtdarstellung. Im letzten Referat stellten Monique Weis (Université libre de Bruxelles) und Jean-Paul Hoyois (Bruxelles) einen regionalen Bezug zu der „Pazification de Gand“ her, einer bekannten lokalen Oper aus Bruges und brachten auch musikalische Einblicke mit ein.
Während der Tagung wurde die Generalversammlung des Centre abgehalten, Bücher zur Schau gestellt und das Datum für die nächste Tagung angekündigt. Abschließend soll noch auf einen sehr interessanten Kongress in Italien hingewiesen werden, der vom 6-8 Oktober stattfindet und in dem das 700jährige Jubiläum der Romfahrt Kaiser Heinrichs VII durch Referate gewürdigt werden soll.