„CISV International Village“ vom 3. bis zum 30. August in der Abtei Clairefontaine

Insgesamt 48 Kinder aus zwölf Ländern nehmen am diesjährigen „International Village“ teil. Das knapp vier Wochen dauernde Feriencamp für elfjährige Kinder wird von „CISV Luxembourg“ organisiert und hat seinen Sitz in der Abtei Clairefontaine bei Arlon, nur wenige hundert Meter hinter der luxemburgischen Grenze. Neben diversen pädagogischen Pflichtveranstaltungen stehen dabei vor allem der Spaß und das Schließen von Freundschaften im Vordergrund.

Die Abkürzung „CISV“ steht für „Children's International Summer Villages“ und damit für mehr als 60 nationale Vereinigungen, die sich für interkulturelle Kinder- und Jugendbegegnungen einsetzen. Dahinter verbirgt sich eine mittlerweile über 60 Jahre alte, weltweit tätige Organisation. Gegründet wurde CISV von der US-amerikanischen Kinder- und Jugendpsychologin Doris Allen. Ihre Grundidee bezog sich auf diverse Initiativen, die sich nach den Erfahrungen des Zweiten Weltkriegs für Frieden, Versöhnung und Völkerverständigung einsetzten.

Allens Ziel war jedoch, eine umfassende Friedenserziehung explizit für Kinder und Jugendliche zu realisieren, da ihrer Meinung nach der Ursprung für den Weltfrieden letztlich bei den Kindern liegt. Der besondere Ansatz der CISV ist demnach, dass man die Friedensarbeit bereits mit Kindern im Alter von elf Jahren beginnt, denn in diesem Alter seien Kinder noch freier von Vorurteilen, offener für unbefangene interkulturelle Begegnungen, aber dennoch alt genug, um sich für einen begrenzten Zeitraum wie bei diesen Sommercamps von ihren Eltern und ihrem gewohnten Umfeld zu lösen. Insgesamt haben über die Jahrzehnte bereits nahezu 200 000 Menschen an über 5 000 CISV-Veranstaltungen teilgenommen.

Interkultureller Dialog
In diesem Sinne ist auch das Programm der „International Villages“ als Flaggschiff der CISV aufgebaut. Über die generelle Toleranz gegenüber kulturellen Unterschieden hinaus werden ebenso die Eigenverantwortung und das Bewusstsein der Kinder für gesellschaftliche Probleme wie Armut oder Umweltverschmutzung geschult, so einer der Betreuer des Camps, Daniel Denes. Der 26-jährige gebürtige Brasilianer hat selbst als Kind im Rahmen eines derartigen Austauschs in Frankreich die Vielfalt an Erfahrungen eines CISV-Camps kennengelernt. Seitdem war er sowohl als Delegationsleiter seines Heimatlands als auch als erwachsener Betreuer für CISV tätig. „Nicht nur, dass man Menschen aus aller Welt kennenlernt und mehrere Wochen mit ihnen verbringt; aus den Begegnungen entwickeln sich echte weltweite Freundschaften“, berichtet der Brasilianer begeistert. Im Kinderdorf in Clairefontaine treffen sich dieses Jahr Vertreter aus zwölf Nationen und drei Kontinenten. Mit dabei sind neben den luxemburgischen Teilnehmern jeweils Delegationen von zwei Jungen, zwei Mädchen und einem Betreuer aus den USA, Kanada, England, Norwegen, den Niederlanden, Deutschland, Ungarn, China, Japan, Südkorea und den Philippinen. Hinzu kommen rund ein Dutzend jugendliche bis erwachsene Betreuer unter anderem aus Brasilien, Belgien, Österreich und Luxemburg. Auch wenn die Niveaus der Sprachkenntnisse unter den Kindern unterschiedlich sind, ist die Verkehrssprache in der Regel Englisch.

Das Motto des diesjährigen Camps lautet „Nachhaltige Entwicklung“, sodass sich einige der Aktivitäten und Ausflüge auf den respektvollen, nachhaltigen Umgang mit der Natur beziehen, wie etwa Besuche in Parks, das Entdecken und Identifizieren der hiesigen Flora und Fauna, das Malen mit natürlichen Farben oder auch Baden und Angeln in Luxemburgs Gewässern. Die Betreuer legen dabei jeweils großen Wert auf selbstständiges Lernen und Erfahren der teilnehmenden Kinder. Die angepassten Lehr- und Lernmethoden gehen mit der für alle CISV-Veranstaltungen typischen Mischung aus pädagogischen, kulturellen und sportlichen Aktivitäten einher. Das Ziel der Feriencamps ist allgemein die Förderung von internationalen Freundschaften und die Sensibilisierung für ein intuitives interkulturelles und friedliches Miteinander.

Das generelle Motto der Organisation („Building global friendship“) spiegelt sich auch in den weiteren Aktivitäten des Dorfes wider. So werden unter anderem kleine Rollenspiele organisiert, bei denen die Betreuer das soziale und kosmopolitische Problembewusstsein der Kinder frühzeitig wecken wollen. Bei „Peace for Peace“ beispielsweise sollen sich die Kinder in mehrere kleine Dörfer verteilen und so eine virtuelle Stadt aufbauen. Sodann wird ein „Krieg“ zwischen den Dörfern ausgerufen, wobei sich die Kinder entscheiden können, ob sie eher destruktiv vorgehen und andere kleine Dörfer angreifen oder ob sie sich auf die Verteidigung ihres eigenen Bereichs konzentrieren. Friedensverhandlungen sind dabei (noch) nicht erlaubt, denn erst am Ende setzen sich die Betreuer mit den Kindern zusammen und besprechen ihre jeweiligen Erfahrungen aus dem Spiel. Es sei äußerst interessant, so der Betreuer Daniel Denes, die Ansichten und Gefühle der kleinen „Krieger“ zu erfahren und sie in Beziehung zu ihrem Handeln zu setzen. Die Ergebnisse der anschließenden Evaluation seien der eigentliche Kern der Rollenspiele, denn nur so könnten die Kinder auch etwas daraus lernen.

Ein weiteres derartiges Spiel bezieht sich auf die Problematik globaler Armut bzw. der akut ungleichen Verteilung von Reichtum und Ressourcen in der Welt. Dabei werden die Kinder in zwei Gruppen unterteilt; die „reiche“ Gruppe erhält diverse Privilegien wie etwa extra Essen oder bessere Spielsachen, die „Armen“ bleiben dagegen weitgehend mittellos. Teilen ist bei diesem Spiel ausdrücklich untersagt, aber am Ende geht es wiederum darum, zu sehen, wie sich die Kinder untereinander verhalten. Einige Teilnehmer hätten nämlich echte Probleme damit, mitansehen zu müssen, dass nicht alle Kinder gleich behandelt werden, erläutert Denes.

Freundschaft im Vordergrund
Das Ziel der strukturierten Nachbetrachtung derartiger Aktivitäten ist neben der Anregung zur Selbstreflexion auch die Vermittlung der klassischen CISV-Werte. Dazu gehören insbesondere die Entwicklung interkultureller Kompetenzen zur Kommunikation und zum positiven, unbefangenen Austausch untereinander sowie das grundlegende Interesse an der Friedenspädagogik. Dazu komme jedoch der Effekt, die aus unterschiedlichsten sozialen Verhältnissen stammenden Kinder in ihren noch unfertigen Lebensansichten herauszufordern und zu bestärken, sagt Denes. Mit am interessantesten sei jedenfalls, den Unterschied zu beobachten zwischen dem Moment, wenn die Kinder ankommen und dem Zeitpunkt, wenn sie das Camp wieder verlassen. In vier Wochen könne man einiges Positives bewirken, sind sich die freiwilligen Betreuer einig. Letztlich sei es dies, was ihre Arbeit so spannend mache.

Allgemein und vor allem geht es jedoch einfach darum, Menschen unterschiedlicher Herkunft kennenzulernen und im besten Fall echte Freundschaften zu schließen. Neben den pädagogisch wertvollen Spielen, interaktiven Schulungen und obligatorischen gemeinsamen Mahlzeiten steht nämlich auch genügend Freizeit auf dem Programm. Zudem organisiert jede Delegation an einem Abend eine „National Night“, wobei die unterschiedlichen Teilnehmer bestimmte, für ihr jeweiliges Land übliche Bräuche wie Lieder, Tänze oder Filme präsentieren und einheimische kulinarische Spezialitäten zubereiten.

Die gemeinsame Zeit in den Ferienlagern führt nicht selten zu echten Freundschaften, erklärt die luxemburgische Betreuerin Paulina. Über die Jahre hinweg sei eine regelrechte Gemeinschaft entstanden, die sich nicht nur anlässlich der CISV-Veranstaltungen, sondern unter Umständen auch spontan und privat trifft. Die junge Luxemburgerin war als Jugendliche mit der CISV in Israel und weiß die Veranstaltungen der Organisation seitdem zu schätzen.

Die meisten der kinder- und jugendgerechten Aktivitäten finden auf dem Gelände der Abtei in Clairefontaine statt, aber über die nächsten Wochen hinweg sind auch einige Exkursionen ins benachbarte Großherzogtum geplant. Am 26. August organisieren die Veranstalter einen Tag der offenen Tür, bei dem prinzipiell jeder an der Thematik Interessierte willkommen ist. Bis dahin stehen allerdings noch viele weitere Events an, bei denen die kleinen Toleranz- und Weltfriedensstifter von morgen ihre interkulturellen Kompetenzen weiter ausbilden und schärfen sollen.

(Text: Christophe Bumb / Fotos: Anouk Antony)