Prozess um Tod eines Sechsjährigen in Steinseler „Maison relais“ fortgesetzt

Der Prozess um den Tod eines sechsjährigen Jungen am 2. Oktober 2006 in der damaligen „Maison relais“-Einrichtung der Steinseler Sepp-Hansen-Schule wird fortgesetzt. Das entschieden die Richter der 16. Kammer des Zuchtpolizeigerichts Luxemburg AM 13.Oktober und lehnten damit den Antrag eines Verteidigers ab, einen der angeklagten Erzieher wegen einer „Inégalité des armes“ vom Verfahren auszuschließen. Die Verhandlung wurde somit gestern wieder aufgenommen und die ersten Zeugen gehört.

Dabei wurden jedoch mehr Fragen aufgeworfen als geklärt: Laut Erklärungen des leitenden Ermittlers der Kriminalpolizei gestern vor dem Richterpult ist nämlich bis dato immer noch unklar, wer den Schrank, der gegen oder auf den sechsjährigen Jungen gestürzt war und diesem tödliche Kopfverletzungen zugefügt hatte, als Raumteiler inmitten des Saals und ohne jegliche Art von Befestigung aufgestellt hatte, um somit eine Spielecke vom restlichen Raum abzutrennen.

Gegenüber der Polizei hätten sich alle Beteiligten in dieser Frage widersprochen, so der Ermittler. Während einige behaupteten, besagter Schrank hätte bereits lange vor der Eröffnung der „Maison relais“ Anfang September an dieser Stelle gestanden, sagten andere aus, das Möbelstück hätte sich bei Inbetriebnahme oder zumindest bei der technischen Abnahme der Betreuungsstruktur noch an seinem ursprünglichen Standort an der Wand befunden.

Dort, also an der Wand, seien zum Zeitpunkt des tragischen Unfalls Klettergerüste installiert gewesen, denen die Schränke wohl haben weichen müssen, so der Kriminalbeamte. Bei der Frage, wer diese Klettergerüste, wie auch die Turnmatten in der Spielecke bestellt, gekauft bzw. an Ort und Stelle platziert hatte, würden die Aussagen der Beteiligten ebenfalls auseinandergehen, diesbezügliche Unterlagen seien ihrerseits nicht auffindbar.

Kinder kurzzeitig ohne Aufsicht?

Ebenfalls unklar ist, wieso ausgerechnet jener Erzieher, der die alleinige Aufsicht über die fünf Kinder im Spielsaal hatte, gegen 18 Uhr auch die Eltern in Empfang nahm und wohl für einen Moment die Kinder aus den Augen ließ, während der zweite Erzieher mit einer Praktikantin im anderen Saal anderen Schülern bei den Hausaufgaben half. Bereits heute Nachmittag werden einige der Beschuldigten, die Möglichkeit haben, ihre Sicht der Dinge darzulegen und unter anderem eine Antwort auf diese Frage zu liefern.

Klar ist hingegen, dass der Schrank, der 1991 an die Gemeinde Steinsel geliefert worden war und bis 2006 als Aufbewahrungsmöbel im Lehrerzimmer der Schule genutzt worden war, keineswegs zur Nutzung als Raumteiler vorgesehen und dementsprechend konzipiert war, wie ein Verantwortlicher der deutschen Herstellerfirma gestern vor Gericht erklärte. Doch zu welchem Zweck er auch immer genutzt worden sei, auf jeden Fall hätte er befestigt sein müssen, so der Möbelfabrikant, „das gebiete der gesunde Menschenverstand“.

Davon, dass die Erzieher auf das Problem des nicht befestigten Schranks aufmerksam gemacht haben sollen, wie diese behaupten, will bei der Gemeinde niemand etwas wissen, wie der Verantwortliche des technischen Dienstes gestern erklärte. Mehr zum Wissensstand der Gemeindeverwaltung wird wohl am Donnerstag zu erfahren sein, wenn der Steinseler Bürgermeister seine Aussage vor dem Richterpult machen wird. Die Verteidigung in Person von Me Gaston Vogel, hat das Gemeindeoberhaupt nämlich als Zeugen vorgeladen.

Die Staatsanwaltschaft hatte im Laufe der Untersuchung entschieden, den Schöffenrat nicht wegen des Todes des Sechsjährigen vor Gericht zu belangen. Me Vogel hingegen kritisierte gestern erneut diese Entscheidung und verwies auf die Gesetzeslage, nach der der „Gestionnaire“, in diesem Fall die Gemeinde Steinsel, für eine höchstmögliche Sicherheit in der Betreuungsstruktur sorgen müsse.

Fünf Angeklagte, ein totes Kind
Fünf Personen müssen sich im laufenden Verfahren wegen fahrlässiger Tötung verantworten. Neben der 34-jährigen Direktionsbeauftragten der Betreuungsstruktur und zwei dort angestellten 29 und 31 Jahre alten Erziehern sind dies der 55-jährige Sicherheitsbeauftragte der Steinseler Gemeindedienste sowie ein 49-jähriger Arbeiter des technischen Dienstes.

Am frühen Abend des 2. Oktober 2006 war besagter Schrank, der als Raumteiler inmitten des Hauptsaals der Steinseler „Maison relais“ aufgestellt war, durch spielende Kinder umgestoßen worden und auf einen Sechsjährigen gestürzt. Der kleine Junge war laut Aussagen von zwei Ärzten vor Gericht auf der Stelle tot und wohl einer Schädelbasisfraktur erlegen. (VON GILLES SIEBENALER-FOTO:GERRY HUBERTY)