Nachts sinken die Temperaturen auf bis zu minus 14 Grad, und auch tagsüber ist es bei minus 8 bis minus 5 Grad so richtig kalt. Während der Gang vor die Haustür viele zurzeit eine Überwindung kostet, haben zahlreiche Menschen überhaupt nicht erst die Möglichkeit, sich in ein warmes Zuhause zurückzuziehen. Rund 250 Menschen gelten in Luxemburg als obdachlos, sprich sie leben auf der Straße oder in Notunterkünften. Erst am Mittwoch hat die Caritas ihre Kapazitäten erweitert und eine weitere Notunterkunft mit 24 Betten in der hauptstädtischen Rue Michel Rodange eröffnet.
Insgesamt stehen während des gesamten Jahres zusammengerechnet 125 Betten für Bedürftige zur Verfügung, dies im Foyer Ulysse und in der „Nuetseil“ des Tox-In in der Hauptstadt sowie im Nachtfoyer „Abrisud“ in Esch-Alzette. Im Winter bietet die „Wanteraktioun“ der Caritas 32 weitere Schlafmöglichkeiten in der Rue de Hollerich, bis zu 30 weitere Personen werden im Hotel untergebracht. „Dieses Jahr mussten wir mit der Winteraktion bereits Mitte November anfangen, weil die Temperaturen schon auf ein, zwei Grad gesunken waren“, erklärt René Kneip, Direktionsbeauftragter von „Caritas accueil et solidarité“. „Eine ungeschriebene Regel bei uns besagt, dass wir den Menschen zusätzliche Schlafmöglichkeiten anbieten, wenn die Temperatur nachts über einen längeren Zeitraum unter fünf Grad liegt.“ Wegen der starken Nachfrage kam dieses Jahr demnach bereits früh der Gedanke auf, dass eventuell noch ausgebaut werden muss.
Warme Mahlzeit und Kleidung
Während in den anderen Jahreszeiten lediglich die Menschen, die ein Recht auf Sozialleistungen haben, in den Unterkünften übernachten dürfen, sind die Anlaufstellen im Winter für jedermann zugänglich, erklärt René Kneip. Demnach richten sich die im Winter zusätzlich geschaffenen Schlafplätze vor allem an diejenigen, die ohne soziale Rechte in Europa leben. In der kalten Jahreszeit steigt die Nachfrage seit Jahren an, und das auch in diesem Jahr. Laut René Kneip ist das auf die hohe Zahl europäischer Migranten zurückzuführen. „Betroffen sind insbesondere arme Menschen aus Polen, Rumänien und, seit die Visumspflicht dort abgeschafft wurde, zunehmend auch Menschen aus Serbien. In der Winteraktion zum Beispiel machen diese Menschen mehr als 90 Prozent aus.“ Völlig ausgeschöpft sind die Kapazitäten aber noch nicht: „In der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag waren in der neuen Unterkunft in der Rue Michel Rodange 14 der rund 24 Betten belegt. Auch im Hotel haben wir noch einige freie Plätze“, so Kneip. Nicht zugelassen zu den Unterkünften sind Minderjährige unter 18 Jahren. Sie finden in einer spezifischen Einrichtung Unterschlupf, nämlich im „Péitrusshaus“. Menschen, die die Regeln in den regulären Unterkünften nicht eingehalten haben und dort nicht mehr bleiben dürfen, können im Winter in der „Wanteraktioun“ übernachten.
Doch extrem kalt ist es während dieser Jahreszeit auch tagsüber. Wenn die Schlafunterkünfte morgens schließen und die Menschen sie bis abends wieder verlassen müssen, haben sie die Möglichkeit, weitere Anlaufstellen aufzusuchen, so etwa die „Téistuff“, gleich neben dem „Foyer Ulysse“, wo im Winter täglich mehr als 150 Menschen vorbeikommen. Auch in den Räumlichkeiten der „Stëmm vun der Strooss“ in Bonneweg und in Esch-Alzette können die Menschen sich tagsüber aufhalten. „Am Mittwoch haben wir 120 Menschen gezählt. Durch die Kälte kommen zwar nicht mehr Leute, aber sie bleiben länger“, erklärt Alexandra Oxacelay, Direktionsbeauftragte der „Stëmm vun der Strooss“. Bei der „Stëmm“ in Esch schauen täglich etwa 75 Personen vorbei. „Dort haben sie auch die Möglichkeit zu duschen“, so Oxacelay, was in den Räumlichkeiten in Bonneweg aus Platzgründen nicht möglich ist. Die Menschen können überdies eine warme Mahlzeit zu sich nehmen und sie erhalten bei Bedarf Kleidung.
Einige bleiben auf der Straße
Laut der Direktionsbeauftragten der „Stëmm“ gibt es für die Nächte zwar genügend Unterkünfte, doch nicht alle wollen diese auch in Anspruch nehmen. „Wir verteilen daher auch Schlafsäcke an die Menschen, von denen wir wissen, dass sie nicht in eine der vorhandenen Strukturen gehen möchten“, so Alexandra Oxacelay. Auch René Kneip weiß, dass einige Personen nicht ins Foyer kommen wollen. „Viele sind es aber nicht. Und wir kennen sie alle und wissen wo sie sind“, so René Kneip. Um sie zu schützen, hilft auch die Polizei mit: Jede Nacht fahren die Beamten zu den Betroffenen, wecken sie auf und sprechen mit ihnen. „Besonders gefährlich wird es, wenn die Menschen Drogen oder Alkohol konsumieren, um die Kälte nicht so zu spüren, und draußen bleiben“, erklärt Alexandra Oxacelay.
Wie viele Obdachlose es in Luxemburg gibt, hängt von der Definition ab, erklärt René Kneip. Die „Fédération européenne des associations nationales travaillant avec les sans-abri“, in der über 100 europäische Vereinigungen vertreten sind, unterscheidet zwischen vier Personengruppen. „Zum einen gibt es die Menschen, die auf der Straße oder aber eben in Notunterkünften leben. Das sind hierzulande etwa 250 Personen“, so René Kneip. „Des Weiteren gibt es die Menschen, die zwar keine Wohnung haben, aber dennoch irgendwo unterkommen, etwa in Frauenhäusern oder in Unterkünften für Migranten zum Beispiel. Betroffen sind davon in Luxemburg geschätzte 1 500 Menschen“, fährt René Kneip fort. Eine weitere Kategorie umfasst die Personen, die in einer prekären Wohnsituation leben, etwa bei Freunden. In die vierte Kategorie fallen diejenigen, die in unangemessenen Wohnungen leben. Das sind beispielsweise Menschen, die in überbevölkerten Wohnungen zu Hause sind. (Text: Diane Lecorsais / Fotos: Anouk Antony)