Musical ‚9 to 5‘ von Dolly Parton
Frauen durchbrechen die ‚gläserne Decke‘!
Ab dieser Woche im Theatersaal des Escher Jongelycée
Es ist eine Binsenwahrheit, dass die 68er Revolution und die ‚flower-power‘-Generation zwar verkrustete Strukturen aufbrachen, aber dass die viel beschrieene Gleichstellung der Geschlechter alles andere als tiefgreifend und nachhaltig war ist genauso eine Binsenwahrheit. Im Zeichen der freien Liebe fühlten Männer sich bemüssigt, herzhaft zuzugreifen. Frauen durften ihre BHs verbrennen, ansonsten ihre Persönlichkeit aber nur in den Grenzen der männlich dominierten Gesellschaft entfalten. Die berühmte ‚gläserne Decke‘ verhinderte den beruflichen Aufstieg der Frauen, die für gleiche Arbeit nicht das gleiche Gehalt erhielten (erhalten?) und die sich zwischen Schreibmaschine und Kaffeemaschine der sexuellen Belästigungen der Bürohengste erwehren mussten (müssen?).
Dolly Parton, blond, naiv und sexy in den Augen der Chauvis, zählt in den USA zu den engagierten Verfechtern der Gleichstellung und der Emanzipation der Frauen. Im Jahre 1979 brachte sie den Film ‚9 to 5 – Warum bringen wir den Chef nicht um?‘ mit grossem Erfolg ins Kino. Parton erzählt die Geschichte dreier Sekretärinnen, die die Nase gestrichen voll haben von Mr. Hart, ihrem grosskotzigen, chauvinistischen, frauenverachtenden Chef. Zusammen sind sie stark, und in der Tat krempeln sie den Betrieb radikal um. Dabei drehen sie den Spiess nicht einfach um und werden zu Männerhasserinnen. Vielmehr überzeugen sie durch Leistung, aber auch durch Spontaneität, Menschlichkeit, Gefühle und viel Humor die Männer, mit ihnen an einem Strang zu ziehen und einen weiblichen Chef zu akzeptieren. Partons Heldinnen bleiben dabei immer Frau, geniessen ihr Frausein. Ziehen sie hochhackige Schuhe und modische Klamotten an, tun sie das vor allem für sich und nicht für die Männer, die nicht von Freizügigkeit auf Verfügbarkeit schliessen dürfen. Metaphorik mit dem Holzhammer: im Finale lässt Regisseur Patrick Engel Männer, die ‚verstanden‘ haben, auch auf hohen Absätzen auftreten…
Auch nach 30 Jahren hatte sich an der Situation der Frauen nicht viel geändert, so dass Parton ihr filmisches Werk von 1979 im Jahre 2009 auf die Musicalbühne brachte – der überwältigende Erfolg beruhte nicht nur auf Partons Country- und 70er-Jahre Musik. Es war vor allem die Aktualität des Themas, die Musicalfans wie Feministinnen begeisterte. Und auch jetzt, nach 40 Jahren, in der Epoche des Trump des Weinstein, des Bing Crosby, des Dieter Wedel, des #metoo hat Partons Musical noch keinen Staub angesetzt.
Die Theatertruppe Geoghelli des Escher ‚Jongelycée‘ (LGE) hat sich nach ‚Spamalot‘, ‚Cabaret‘ und ‚Curtains‘ mit ‚9 to 5‘ eines weiteren Broadway-Schwergewichts angenommen. In opulenten Dekors (wer erinnert sich noch an die braun-orange Tapete und die Pril-Blumen?), mit farbenprächtigen Kostüms (Schlaghosen!), mit professionellem Coaching, einem in New York mit Orchester eingespielten Sound überspringen die bis in die Haarspitzen motivierten, spielfreudigen Mädels und Jungs locker die von ihnen hoch gelegte Messlatte.
Musik und Gesangstexte von Dolly Parton und das Buch von Patricia Resnick bieten natürlich eine Steilvorlage. Die Musik der Country-Königin und mehrfachen Grammy-Gewinnerin reisst jeden mit, der Titelsong ‚9 to 5‘ ist weltweit ein Ohrwurm. Der Text, trotz seines ernsten Anliegens, ist geprägt durch Humor - manchmal schräg, manchmal schwarz – und Herzlichkeit. Parton und Resnik gelingt das Spagat zwischen ernstem Anliegen und Unterhaltung mit Tiefgang: der Zuschauer wird das Theater verlassen mit einem Schmunzeln im Gesicht und nachdenklichem Grübeln im Kopf.
25 Jahre Geoghelli
Die diesjährige Produktion ist gleichzeitig die 25. Jubiläumsproduktion der Studenten-Theatertruppe des Lycée de Garçons in Esch, das über eine reiche Theatertradition von Jengi Turmes über Ed Maroldt bis hin zu Patrick Engel verfügt.
Im Jahre 1992 gründeten Patrick Engel, Lucien Thill und Luc Aulner auf Drängen der Schüler das‘ Cabaret Geoghelli‘, das mit 16 Cabaret-Shows Tausende von Zuschauern in den Festsaal im LGE lockte. Im Jahre 2007 wurde aus dem ‚Cabaret Geoghelli‘ die Gruppe Geoghelli, die fortan Musicals produzierte. In Zusammenarbeit mit dem berühmten Schmit-Theater von der Hamburger Reeperbahn entstand ‚Heisse Ecke‘, die gleich ein durchschlagender Erfolg wurde. Darauf folgten literarische Musicals mit ‚Sommernachtstraum‘ nach W. Shakespeare, ‚Das Gespenst von Canterville‘ nach O. Wilde, ‚Alice im Wunderland‘ nach Lewis Carroll, ‚Dschungelbuch‘ nach R. Kipling und schliesslich die erste grosse Broadway-Produktion, Eric Idles‘ ‚Spamalot‘ nach Monty Pythons ‚Ritter der Kokosnuss‘. ‚Cabaret‘ und ‚Curtains‘ von John Kander und Fed Ebb brachten Musicals mit ernstem Hintergrund (Berlin während der Nazi-Zeit, Machtspiele im Showbizz).
Der Erfolg all dieser Musical-Produktionen zeigt sich u.a. darin, dass Geoghelli mit sämtlichen Musicals ins Theater Esch eingeladen wurde: ‚Heisse Ecke‘ war das letzte Stück, das auf der altehrwürdigen Bühne dargeboten wurde; nach zwei Produktionen im ominösen Theaterzelt spielte Geoghelli als erste Truppe auf der ‚neuen‘ Bühne im Escher Theater ‚Alice im Wunderland‘. Für ‚Spamalot‘ wurde speziell eine ‚extended version‘ einstudiert.
Auch in diesem Jahr wird die Saison 2018-2019 am 27. September im Escher Theater von Geoghelli mit ‚9 to 5‘ eröffnet.
Zuvor aber die berühmt-berüchtigten Vorstellungen im Festsaal des LGE. Wie in den letzten 25 Jahren sitzen die Zuschauer auf bequemen Stühlen an kleinen Tischen und werden mit Getränken und kleiner Gastronomie versorgt. Allein diese Stimmung treibt jedes Jahr zahlreiche Zuschauer zu den jungen SchauspielerInnen, und in diesem Jubiläumsjahr ist die Chance gross, einige der bekannten ‚anciens‘ zu treffen, die im Laufe der Jahre ihre ersten Schritte auf den Brettern, die die Welt bedeuten, getan haben. Mit Raoul Biltgen, Brigitte Urhausen, Raoul Biltgen, Line Wies, Bruno Cavaleiro, Marc Weidert, Franky Hippert, Lynn Cruchten, Anouk Sibenaler ist diese Liste alles andere als voollständig. Und sie alle eint die Devise ‚einmal Geoghelli, immer Geoghelli‘!
Die Vorstellungen von ‚9 to 5‘ finden statt am 4., 5., 11. und 12. Mai jeweils um 19.30 Uhr im Festsaal des Lycée de Garçons Esch/Alzette (Eingang Spitalstrasse). Eintrittskarten gibt es im Vorverkauf während der Bürostunden im Schülersekretariat des LGE, Telefon 55 62 85 -238, im Internet auf www.lge.lu und per mail an geoghelli@lge.lu. Der Eintritt für Erwachsene beträgt 15.-€, für Kinder, Schüler und Studenten 10.-€. Spieldauer 2 Stunden 10 Minuten plus Pause. ‚9 to 5‘ ist geeignet für Kinder ab 8 Jahren. Das Stück wird in deutscher Sprache aufgeführt, indes die Lieder in englischer Sprache live gesungen werden.