Vor 30 Jahren wurde die psychiatrische Einheit im „Centre hospitalier Emile Mayrisch“ (Chem) in Esch/Alzette ins Leben gerufen.
Mit einer Feierstunde im „Bâtiment Buggi“, bei der auch Gesundheitsminister Mars Di Bartolomeo zugegen war, wurde gestern die Vergangenheit Revue passieren gelassen und gleichzeitig auch ein Ausblick auf die kommenden Jahre gewagt.
Dr. Michel Nathan, Generaldirektor des Chem, lobte die Kollegialität, die innerhalb der einzelnen Abteilungen der Psychiatrie im „Centre hospitalier Emile Mayrisch“ herrsche und nannte die Einheit seit ihrer Schaffung im April 1981 einen wahren Trendsetter im Bereich der Psychiatrie.
Überhaupt die Tatsache, eine psychiatrische Einheit als Dienstleistung am Patienten in einem offenen Krankenhaus anzutreffen, war damals schon etwas Besonderes. Angesichts von 3 500 Patienten im Jahr, die die Psychiatrie in der einen oder anderen Form passierten, sei diese Einheit aus dem Krankenhausalltag nicht mehr wegzudenken. Belobigend äußerte sich der Generaldirektor auch dahingehend, dass Innovation und Motivation die eigentlichen Merkmale der Einheit seien. Qualitätsprojekte seien oftmals bereits abgewickelt, bevor sie von der Geschäftsleitung vorgeschlagen werden konnten. Auch lobte er den exzellenten Teamgeist in der Einheit.
Im Anschluss zog der für den Bereich der Psychiatrie zuständige Arzt Dr. Marc Gleis eine historische Bilanz von 30 Jahren Psychiatrie. Zwar sei 1981 die erste psychiatrische Einheit im Krankenhaus gegründet worden, nichtsdestoweniger habe man aber bereits seit dem Beginn der 1960er-Jahre Patienten mit psychiatrischen Pathologien im Escher Krankenhaus behandelt.
Wegweisend in der Entwicklung der Psychiatrie in Esch/Alzette war Psychiater Dr. Georges Muller, übrigens eines der ersten Psychiater, die sich in Luxemburg etablierten (vorher wurden sämtliche psychiatrischen Behandlungen im Krankenhaus von Ettelbrück durchgeführt), der im Chem bereits in den 1960er-Jahren arbeitete. Weitere Spezialisten, die wegweisend in der Entwicklung dieser psychiatrischen Einheit waren, waren Dr. Jules Molitor und Dr. John Hildgen. Dem Wirken dieser drei Mediziner sei die Einheit heute zu verdanken.
In den 1990er-Jahren stand dann nach der Haffner-Studie eine Reform der Psychiatrie an, deren zentrales Merkmal eine Dezentralisierung bzw. Dekonzentrierung der Psychiatrie ist.
Ettelbrück wurde im Zuge dessen ein „ Asile“ und ein „Hôpital de revalidation“ und vier große regionale Krankenhäuser erhielten ihrerseits eine Einheit mit 45 Betten und ein Tageskrankenhaus mit insgesamt 15 Plätzen. „Die Idee, die dahinterstand war jene der gemeindenahen Volksversorgung. Also die Idee Dienstleistungen dort anzubieten, wo sie vom Patienten gebraucht werden, ohne dass er zu Strukturen auf die grüne Wiese muss“, so Dr. Marc Gleis. Heute stehen Prinzipien wie eine auf den Menschen zugeschnittene Medizin, eine finanziell und strukturell gesunde Organisation und die Entwicklung von Partneriaten, basierend auf neuesten wissenschaftlichen Normen im Vordergrund, die durch Erkenntnisse der Pharmakotherapie und verschiedener psychotherapeutischer Ansätze ergänzt werden.
Dabei teilt sich die Einheit in sechs Abteilungen auf: „Centre de crise“, „Psychiatrie intensive“, Psychiatrie aiguë, „Addictologie“, „Hôpital de jour“ und die „Psychiatrie de liaison“. Wichtig, so Gleis, sei eine optimale Vernetzung dieser Elemente, die oftmals eine unnötige Hospitalisierung von Patienten verhindern helfen, aber die nötige Unterstützung und Hilfestellung geben. Zentraler Aspekt sei auch die Tatsache, dass eine Krankheit nicht notwendigerweise im Krankenhaus geheilt werde, aber die nötigen Ansätze gegeben werden, die eine weitere Therapierung nach Entlassung des Patienten möglich machen. 3 500 Patienten werden in der Psychiatrie im Jahr betreut. 20 Prozent dieser Patienten werden ins Krankenhaus eingewiesen.
In diesem Zusammenhang lobte er die Zusammenarbeit mit verschiedenen Dienstleistungen im psychiatrischen Bereich. Auch strich er hevor, dass eine Vielzahl der Patienten ambulant behandelt werden können und es keiner Einweisung bedürfe. Gleis sprach sich für weitere Lobbyarbeit seitens der Ärzte aus. Man müsse die Faktoren wie Angst und Stress, Ursachen weshalb heute vermehrt Depressionen auftauchen, analysieren. Mehr Wertschätzung müsse neben dem medizinischen auch dem sozialen Bereich zukommen.
Gesundheitsminister Mars Di Bartolomeo beglückwünschte die Abteilung für ihren Initiativgeist. In Sachen Versorgung, Früherkennung und Betreuung sei eine Menge geleistet worden. Auch sprach er die Haffner-Studie an, die quasi der „Kick-off“ für die heutige Entwicklung sei. Dennoch sprach der Minister auch die zusätzlichen Bedürfnisse an, die eingehend analysiert werden müssten. Das „Vorher“ müsse mit dem „Nachher“ abgeglichen werden, es ginge darum, dem Patienten die beste und nicht die längste Therapie anbieten zu können. Eine zentrale Rolle kommt da den begleitenden Dienstleistungen zu. Aufenthalte in den Krankenhäusern sollten nicht stigmatisiert werden. Auch lobte er die würdige Art und Weise, wie Patienten im Chem behandelt würden.
Im Anschluss besuchten die Gäste die Ausstellung „Art au Chem – Oeuvres réalisées en ergotherapie“, die die Kunst als Therapieform in den Mittelpunkt rückt und somit auch in der Psychiatrie einen wichtigen Stellenwert hat. (Text: Nadja Rafalski / Fotos: Gerry Huberty, CHEM)