Altac als Dachverband der reittherapeutischen Einrichtungen


Reittherapeutische Einrichtungen erfreuen sich im In- und Ausland schon seit Jahren steigender Beliebtheit. Die Therapie mit dem und rund ums Pferd kann bei verschiedensten Krankheiten helfen, ob physisch oder psychisch. Daher gibt es auch unterschiedliche Herangehensweisen und Therapeuten – ob Heilpädagoge, Krankengymnast oder Psychologe. Um die, die es in Luxemburg gibt, zu vernetzen, wurde im September 2009 die „Association luxembourgeoise de thérapie avec le cheval“ (Altac) als Dachverband der reittherapeutischen Einrichtungen gegründet. Heute hat sie ihre erste Generalversammlung.

„Vieles ist noch neu. Wir haben noch keine Internetseite, und unsere gemeinsame Broschüre ist jetzt, rechtzeitig zur ersten Generalversammlung, gerade fertiggeworden“, sagt Sarah Haas-van Gelder. Die Erzieherin und Hippopädagogin bietet auf dem Familienbetrieb „Mëchelshaff“ in Flaxweiler therapeutisches Reiten an. Zum Interview hat sie auch ihre Kollegin Simone Bauer eingeladen. Die Psychologin und Reittherapeutin hat in Junglinster eine Praxis und gibt ihren Patienten ebenfalls die Möglichkeit, in der Interaktion mit Pferden an ihren Problemen und Krankheiten zu arbeiten.

Ist es bei Sarah Haas-van Gelder der Körper und/oder die geistige Behinderung, der mit der Reittherapie behandelt wird, ist es bei Simone Bauer die Seele. Konkurrentinnen sind die beiden also eigentlich nicht. „Wir ergänzen uns. Und genau das spiegelt sich auch in unserem neu gegründeten Verband wider“, bekräftigt Simone Bauer. In der „Association luxembourgeoise de thérapie avec le cheval“ (Altac) sind derzeit neun Reittherapeutinnen aus ganz Luxemburg vertreten. Die Idee des Dachverbandes: Je nach Art der Therapie können die Mitglieder Patienten bzw. Kunden auch an ihre im Dachverband untergebrachten Kollegen weiterverweisen.

Die Pferde brauchen

ein gutes Nervenkostüm
Beispiel: Ein Kind ist wegen körperlicher Unzulänglichkeiten in einer Reittherapie. Doch die Eltern sind ebenfalls durch die Situation belastet, kennen die Reittherapie und vertrauen ihr. Sie fühlen sich dann wahrscheinlich bei der Psychologin wohl, die mit Pferden arbeitet.

Denn Therapie mit Pferden, das muss nicht immer Reiten sein. „Das kann auch Streicheln, Beobachten sein – oder einfach zusammen mit dem Tier in freier Natur sein und mit der Therapeutin dort reden“, sagt Simone Bauer. Was sie seit 25 Jahren praktiziere, sei in der Zwischenzeit in der modernen Psychologie auch „angekommen“ und in der Hirnforschung wissenschaftlich verankert: Dass Körper und Geist und Emotionen immer zusammenhängen und es darum für eine psychologische Therapie oft besser ist, ergänzend zu den Gesprächen alle Sinne anzuregen. Um Ergänzungen und Vernetzungen zu nutzen, hat die „Altac“ nun also ein gemeinsames Sekretariat für alle hippotherapeutischen Einrichtungen eröffnet.

Doch geht es bei den Zielen des Dachverbandes nicht nur um diesen praktischen Aspekt. „Uns ist ganz wichtig, dass wir unseren Beruf auch schützen, dass wir Qualitätssicherung betreiben“, erklärt Präsidentin Sarah Haas-van Gelder. Bedeutet: Jeder, der im Dachverband Mitglied ist, hat eine entsprechende Zusatzausbildung für die Hippotherapie absolviert. „Schon die Zugangsvoraussetzungen für diese Ausbildung sind relativ streng“, erklärt die Erzieherin. Man müsse eine abgeschlossene Berufsausbildung und Erfahrung in den Bereichen Erziehung, Krankengymnastik oder Psychologie haben. Zusätzlich müsse man natürlich auch reiterisch ein hohes Niveau aufweisen.

Die Ausbildung „Hippopädagogik“ gibt es zurzeit nur im Ausland. Wurde man dort fit gemacht, kann man daran gehen, die eigenen Pferde zu „erziehen“ – denn auch sie brauchen eine gute Ausbildung. So werden sie an verschiedene Materialien gewöhnt, mit denen die Therapeuten arbeiten, seien es Bälle oder Reifen, und sie lernen Körpersprache, Respekt und Vertrauen. „Das geht nicht mit allen Pferden, denn Pferde sind ja ursprünglich Fluchttiere. Sie brauchen also ein gutes Nervenkostüm, müssen natürlich Menschen mögen, müssen klar im Kopf sein, das Flegelalter von sechs Jahren überwunden haben, also erwachsen sein, und nicht zuletzt Geduld lernen“, zählt die Psychologin Simone Bauer auf.

„Geduld“ ist ein gutes Stichwort. Während des Interviews haben sich schon die ersten Klienten auf dem „Mëchelshaff“ eingefunden und warten auf ihre Therapie. Pony Joker, fast sieben Jahre alt, scharrt mit den Hufen – seine Geduld ist definitiv erschöpft. Genauso geht es augenscheinlich der zweijährigen Emma, die mit ihrer Mutter Tania Demuth gekommen ist und „Joker!“ ruft. Von Geburt an – sie war eine Frühgeburt – hat Emma Probleme mit ihrer Motorik der rechten Körperhälfte. Durch die Reittherapie, die sie seit dem Alter von 15 Monaten macht, kann das ausgeglichen werden. „Ich habe in jedem Fall das Gefühl, dass sie Fortschritte macht“, bekräftigt Mama Tania. Schon alleine die Tatsache, dass die Kleine sich mit beiden Händen auf dem Pferd festhalten müsse, gleiche einiges aus. Dass sich Emma auf die Therapie freut, liegt auch daran, dass ganz viel Spiel und Spaß mit einfließen. Ballspiele, Reifenwerfen und nicht zuletzt das Schmusen mit den faszinierenden Tieren sind sehr wichtig, erklärt Sarah Haas-van Gelder.

Behandlung noch nicht
von Krankenkasse bezahlt
Doch auch andere Gefühle kommen bei der Arbeit mit den Tieren auf. Respekt vor dem großen Tier, vielleicht sogar ein wenig Angst – „ein Sicherheitsfaktor, eine sinnvolle Ressource, denn Angst ist die Mutter der Vernunft“, erklärt die Psychologin Simone Bauer. Auch darum sei es eine „Arbeit mit viel Verantwortung“. Und dort schließe sich der Kreis zur Qualitätssicherung durch den Dachverband.

Die Behandlungen erfolgen meist auf Empfehlung des Arztes. Sie werden in Luxemburg übrigens nicht von der Krankenkasse bezahlt – „noch nicht. Das ist auch ein Ziel unseres Verbandes“, so Präsidentin Haas-van Gelder. Ebenso ist man verbandsintern gerade dabei, über angemessene Tarife nachzudenken. „Denn es ist schade, wenn sich manche Patienten die Hippotherapie nicht leisten können, obwohl sie ihnen doch so weiterhelfen würde“, sagt Sarah Haas-van Gelder.

Darum betreibe man intensiv Informationsarbeit und wolle diese in der Zukunft noch ausweiten – unter anderem eben auch mit einer Broschüre, die heute Abend bei der Generalversammlung vorgestellt werden soll. (VON BIRGIT PFAUS-RAVIDA-FOTOS:SERGE WALDBILLIG)