Derwisch-Mystik auf dem „Geessekneppchen“

Ein traditionsreiches, bis ins 13. Jahrhundert zurückreichendes Stück türkisches Kulturgut aus der inneranatolischen Provinzhauptstadt Konya, die in den Jahren 1219-1236 als Residenz- und Hauptstadt des seldschukischen Reiches eine Blütezeit erlebte, wurde am Freitagabend im Musikkonservatorium der Stadt Luxemburg einem zahlreich erschienenen Publikum nähergebracht. Verantwortlich für das Ereignis mit mystischem Ambiente, das unter dem Titel „Le ballet des souffles“ lief, zeichnete der 2007 gegründete türkische Kulturzirkel „turkuaz“ mit Sitz in Luxemburg-Val Sainte-Croix. Übrigens leben mittlerweile rund 600 türkische Staatsbürger im Großherzogtum.

Eine politische Note erhielt die Kulturveranstaltung, als Präsident Arif Efe in seiner Begrüßungsansprache die Assistenz um eine Schweigeminute für die am vergangenen Mittwoch bei einem Großangriff der kurdischen PKK an der Grenze zum Irak getöteten 24 türkischen Soldaten bat.

Botschafter Celalettin Kart führte in die geschichtlichen Zusammenhänge der angekündigten künstlerischen Darbietungen ein. In deren Mittelpunkt standen die tanzenden Derwische des vom 1207 in Balkh (heute Afghanistan) geborenen und 1273 in Konya gestorbenen persischen Mystikers und Philosophen Dschala ad-Din ar-Rumi gegründeten Mevlana-Ordens. Das zu Ehren Rumis in der auch heute noch stark religiös geprägten Stadt Konya errichtete Mausoleum im Mevlana-Kloster ist nach wie vor Wallfahrtsort gläubiger Muslime, obschon es 1925 im Zuge der von Atatürk betriebenen Säkularisierung der Türkei in ein Museum umgewandelt wurde. Heute ist dieses Museum nach Topkapi in Istanbul das meistbesuchte Museum der Türkei.

Die Doktrin von Rumi beruhte darauf, dass er die Liebe zu Gott und dem Nächsten und die unbegrenzte Toleranz als Hauptkraft des Universums und Weg zur wahren Erfüllung im Leben ansah. Die mystische Vereinigung mit der allesumfassenden Liebe Gottes und der Weltseele geschieht laut der Lehre des Mevlana-Ordens vor allem durch das Gebet und die meditative Versenkung in einem Trance erzeugenden Tanz.

Während im ersten Programmteil sechs Musikanten und fünf Sänger mit Sufi-Musik für eine von Mystik geprägte Einstimmung sorgten, erreichte der Abend im zweiten Teil seinen Höhepunkt mit dem Auftritt der „Tanzenden“ oder „Drehenden“ Derwische von der muslimisch asketisch-religösen Ordensgemeinschaft, die zu einer der größten touristischen Attraktionen der Türkei zählen. Die ungewöhnliche Meditationsform des ekstasischen Trancetanzes besteht darin, dass der Derwisch auf einem Fuß stehend im Kreis wirbelt. Indem dabei bei waagerecht ausgebreiteten Armen eine Hand in Richtung Himmel und die andere zur Erde weist, bedeutet der Tänzer die Weitergabe der Liebe Gottes an die Menschen. Sowohl von der Kleidung als auch vom Ritual her verlief der Auftritt mit instrumentalmusikalischer Begleitung der sechs Derwische und zweier Begleitpersonen nach einer ganz strengen Ordnung. (j-lo)