Didaktischer Rundweg für Sehbehinderte auf Burg Useldingen eingeweiht
Pilotprojekt steht unter der Schirmherrschaft der Unesco / Ministerin Octavie Modert: „Zugang zu Kultur ist ein Grundrecht“
Wer auch immer die wundervolle Ortschaft Useldingen erreicht, dessen Blick fällt zunächst unweigerlich auf die majestätische Burg im Zentrum des Dorfes. Nur Blinden bleiben jene Kulturgüter, die andere stets ins Schwärmen bringen, bislang zumeist verborgen. Mit der Einweihung des speziell auf Sehbehinderte zugeschnittenen didaktischen Rundwegs ist dies auf Burg Useldingen seit gestern jedoch anders. Durch Tasten, Hören oder Riechen wird die bewegte Geschichte dieser mittelalterlichen Stätte höchsten historischen Wertes nun nämlich auch für blinde Menschen erfahrbar. Doch auch sehfähige Besucher dürften die Burg künftig mit anderen Augen betrachten ...
„Verflucht, wer erstmals das Schöne vom Nützlichen getrennt“, zitierte der ehemalige Direktor des Denkmalschutzamtes Georges Calteux gestern den großen Griechen Perikles. Nun denn, Perikles hätte sich auf Burg Useldingen vermutlich sehr wohl gefühlt, denn hier sind seit gestern dank des neuen didaktischen Rundwegs die Schönheit einer Kulturstätte und ihre Erfahrbarkeit für alle Bürger der Gesellschaft auf geradezu exemplarische Weise vereint.
An den insgesamt 16 Stationen des Parcours können sich sehbehinderte Menschen nun nämlich mittels Schautafeln mit großen Buchstaben und in Braille-Schrift, Audio-Geräten in verschiedenen Sprachen oder in Reliefs ertastbaren Darstellungen durch die Burg führen lassen, und dabei anhand der Szenen aus dem kalenderartigen Stundenbuch das mittelalterliche Alltagsleben oder bei einem Rundgang durch die unterirdische Krypta die Entwicklungsgeschichte der Burg oder der einstigen romanischen Kirche erläutern lassen. Im herrlich angelegten Außenbereich können die Besucher derweil die Pflanzen der ausgedehnten mittelalterlichen Gärten riechen oder fühlen, die historisch äußerst wertvollen Wegkreuze antasten, den Gedichten des mit Useldingen tief verbundenen Schriftstellers Tit Schroeder lauschen oder mehr über das einstige Handwerksleben an der Attert bzw. deren Flora und Fauna erfahren.
Aufgrund seines nicht nur für Luxemburg einzigartigen Konzepts steht der Useldinger Burg-Rundweg als Pilotprojekt sogar unter der Schirmherrschaft der Unesco. Bürgermeister Pollo Bodem zeigte sich gestern denn auch stolz und dankbar, ein so herausragendes Projekt in seiner Gemeinde beheimaten zu dürfen. Die Burg, deren Wurzeln bis ins 8. Jahrhundert zurückreichen und die infolge ihrer zweiten Zerstörung durch französische Truppen im Jahre 1683 nicht mehr neu aufgebaut wurde, habe die Geschichte Useldingens seit jeher geprägt und die Menschen in den Bann gezogen, so Bodem. Mit ersten Restaurierungsarbeiten im Zuge der Einrichtung des Kulturzentrums am Fuße der Burg – für die man in den 80er-Jahren im Verbund mit der Instandsetzung des historischen Ortskerns mehrere internationale Auszeichnungen erhielt – sei die historische Stätte schließlich auch vom Denkmalschutzamt „neu entdeckt“ worden.
Mit Unterstützung von Georges Calteux, einem „Useldinger Jong“, und der damaligen Kulturministerin Erna Hennicot-Schoepges sei so 2001 zunächst das Rathaus in die Villa der Burg integriert worden, bevor man dann 2003 gemeinsam die Schaffung des neuen didaktischen Rundwegs eingeleitet habe. Dass man für dieses Projekt gar die Schirmherrschaft der Unesco gewinnen konnte, sei letztlich das Verdienst der Kulturministerin gewesen, die sich vehement für den Zugang behinderter Menschen zu dem Rundweg eingesetzt habe. Anschließend dankte Bodem denn auch allen Verantwortlichen des Kulturministeriums, des Denkmalschutzamtes, der Unesco sowie allen beteiligten Arbeitskräften und Bürgern für deren Einsatz.
Georges Calteux hob Burg Useldingen seinerseits als Gesamtkunstwerk hervor, ein Ort, an dem Geschichte gehaltvoll erzählt und interpretiert werde. Auch Octavie Modert zeigte sich angesichts des neuen Rundwegs voll des Lobes. Dieser mache Geschichte nicht nur für Sehbehinderte erfahrbar, sondern sensibilisiere auch andere Besucher für die Bedürfnisse behinderter Menschen. Der Zugang zur Kultur sei ein Grundrecht, dem man in Useldingen nun auf wunderbare Art gerecht werden könne. (VON JOHN LAMBERTY)