„Staat kann Ehrenamt nicht ersetzen

2011 ist das europäische Jahr des Ehrenamts. Im Centre Arca in Bartringen trafen sich am Donnerstag Familienministerin Marie-Josée Jacobs, der Rektor der Universität Luxemburg, Rolf Tarrach, die beiden Europaparlamentarier Charles Goerens und Georges Bach sowie Eva Hambach, Präsidentin des „Centre européen du volontariat“ (CEV), zu einer Podiumsdiskussion, die vom Familienministerium zusammen mit dem Luxemburger Informationsbüro des Europaparlaments organisiert wurde.

Die vor wenigen Jahren ins Leben gerufene „Agence du bénévolat“ biete wichtige Orientierungshilfe für jene, die ehrenamtlich tätig sein wollen und jene, die Freiwillige suchen, meinte eingangs Familienministerin Marie-Josée Jacobs. Sie sieht den größten Handlungsbedarf beim Zugang von ausländischen Mitbürgern, aber auch von Arbeitslosen, zu den ehrenamtlichen Strukturen des Landes.

Dem Europaparlamentarier und ehemaligen Entwicklungshilfeminister Charles Goerens ist wichtig, dass die EU sich trotz Schwierigkeiten weiter in Afrika stark macht. Vom europäischen Jahr des Ehrenamtes erwartet er sich, dass weiter daran gearbeitet wird, den europäischen ONGs die Arbeit zu erleichtern.

„Der Staat darf sich nicht in alle Bereiche einmischen“

Der Staat könne das Ehrenamt nicht ersetzen, betonten Charles Goerens und Rolf Tarrach. „Sonst enden wir in einem totalitären System“, sagte der Europaparlamentarier. Für Tarrach war klar, dass Universitätsarbeit sich oft auch im ehrenamtlichen Bereich bewege. „Professoren sind Idealisten“, so Tarrach.

Worin besteht der Sinn des Ehrenamtes? Nach Meinung von Tarrach, um Ungleichheiten abzufedern. „Menschen sind sehr empfindlich für Ungleicheiten“, so der Rektor, der zu bedenken gab, dass ehrenamtliche Tätigkeit voraussetze, dass eine Person nicht zu sehr mit persönlichen Problemen belastet ist. Und: Es gebe eine große Bereitschaft bei Studenten, ehrenamtlich zu arbeiten, „doch eines Tages steht der Aufbau des eigenen Lebens und der Karriere im Vordergrund, und die Bereitschaft sinkt“, so Tarrach.

Der Europaparlamentarier Georges Bach sprach sich dafür aus, 2011 dazu zu nutzen, Klarheit in die Rechtslage von Freiwilligenarbeit zu bringen. „Und die soziale Verantwortung von Unternehmen muss stärker in den Vordergrund gerückt werden“, so der Europaparlamentarier.

Als Vertreterin des Ehrenamts äußerte Eva Hambach in einem Punkt Kritik an der Politik. Die Politik erwarte vom Ehrenamt, Probleme zu lösen, die andernfalls nicht gelöst würden. Marie-Josée Jacobs entgegnete, der Staat könne die vielfältige und vielschichtige Arbeit Freiwilliger weder übernehmen noch bezahlen.

Ehrenamtliche Arbeit lässt sich nicht quantifizieren

Von Hambachs Vorschlag, den wirtschaftlichen Impakt ehrenamtlicher Arbeit zu berechnen, hielten Goerens und Tarrach wenig. Man könne einen Tag Frieden nicht quantifizieren, sagte Goerens. Als Physiker und Forscher warnte Tarrach die Politik davor, alles quantifizieren zu wollen. „Politiker müssen trotz Unsicherheit zu tragfähigen Entscheidungen fähig sein“, so Tarrach. Selbst die Briten, die bekannt dafür seien, alles Mögliche quantifizieren zu wollen, seien mancherorts bereits eines Besseren belehrt worden. Als Beispiel nannte er eine englische Universität, die ihren „Return on investment“ berechnen lassen wollte und nach drei Jahren zum Schluss gekommen sei, dass das Gewünschte sich nicht quantifizieren ließe.

Charles Goerens warnte gar davor, wirtschaftliche Parameter auf das Ehrenamt anzuwenden und die Freiwilligentätigkeit unter utilitaristischen Gesichtspunkten zu betrachten. „Das würde zu einem berechnenden Ehrenamt führen und das wäre dann das Ende des Ehrenamts“, so Goerens.(Michele Gantenbein Fotos:Guy Jallay)