Kinder im Stress – das hört sich paradox an. Und doch zeigen immer mehr Kinder und Jugendliche typische Stress-Symptome, müssen sogar professionell behandelt werden. Um „Les enfants du stress“ geht es denn auch bei der gleichnamigen Konferenz, organisiert von „Psyfamille“, einem multidisziplinären Team aus Psychologen und anderen Therapeuten. Sie findet heute (24. November) bei der „Congrégation des Soeurs Franciscaines“ in Luxemburg-Belair statt.
Bei der Psychologin Catherine Verdier klingelt unablässig das Telefon. „Schon wieder jemand, der sich zu unserer Konferenz anmeldet!“ sagt sie und macht sich eine Notiz. „Der Andrang ist wirklich riesig. Wir mussten schon den Raum wechseln, haben jetzt aber mit 140 Personen das absolute Teilnehmer-Maximum erreicht“, fügt sie hinzu. Ob Ärzte, Lehrer, Eltern, Richter, Anwälte oder Studenten: Auch die Bandbreite der Interessierten ist groß. „Les enfants du stress“ – ganz offensichtlich handelt es sich dabei nicht um ein Randthema.
Übertrieben perfekt
Es ist die erste Konferenz seit Jahren, die das Team „Psyfamille“ organisiert. Als Referenten eingeladen sind zwei Psychologen, ein Physiotherapeut, ein Sophrologe (Sophrologie kann man sinngemäß als „autogene Entspannung“ übersetzen) und ein „naturologue“, also ein Naturheilkundler. So setzt sich auch das „Psyfamille“-Team zusammen, um den verschiedenen Faktoren des kindlichen Stresses effektiv zu begegnen. Nach dem Motto: Körper und Seele sind eins.
Jeder der Referenten präsentiert dabei den Stress aus seiner professionellen Sicht: Wo kommt Stress her? Was für Gründe gibt es? Wie äußert er sich? Und was für Lösungen kann es geben? Im Anschluss an die Vorträge wird es eine Diskussion geben. Anstöße dazu gibt es genug. „Ich beobachte wirklich eine Zunahme von Stress-Symptomen bei Kindern – seien es Jugendliche, seien es aber auch schon Kleinkinder oder gar Babys“, berichtet die Psychologin und Psychotherapeutin Catherine Verdier, die seit 14 Jahren mit Kindern arbeitet und vor knapp fünf Jahren „Psyfamille“ ins Leben gerufen hat. Sie und ihre Kollegen sind sich einig: Nie waren Kinder offensichtlich so in Aufruhr, unausgeglichen und beunruhigt wie heute. Wie kommt das?
Manche Kinder sind wegen einer Krankheit oder einer Behinderung gestresst, weil sie ihren Körper als etwas Bedrohliches wahrnehmen. Doch auch körperlich ganz gesunde Kinder sind Opfer des Stresses. Denn: „Die Eltern selbst sind gestresst. Viele sind alleinerziehend, leben in Scheidung, oder sie haben zu viel Arbeit. Die Wirtschaftskrise, Angst um den Arbeitsplatz, Angst vor Terrorgefahren – das alles setzt die Kinder sehr unter Druck. Der Stress der Kinder ist eine Konsequenz daraus“, erklärt Catherine Verdier. Man verlange heute oft einfach zu viel von den Kleinen. Scheidungskinder sollen den Partner ersetzen, sich die Sorgen der Alleinerziehenden anhören. Solche Kinder müssen viel zu schnell erwachsen werden. Auch übertriebener Perfektionismus und zu viele Aktivitäten und Fördermaßnahmen setzen die Kleinen unter Druck.
Die Symptome sind vielfältig: übertriebener Perfektionismus, etwa bei Schulkindern, oder extremer Leistungsabfall, Aufmerksamkeitsstörungen, Hyperaktivität, Aggressivität oder kompletter „Rückzug“, Allergien und Ekzeme, Probleme in der Beziehung mit anderen, ob in der Schule oder im Privaten, „Tics“ und Angstzustände, Schlaf- und Verdauungsstörungen.
Das alles sind Gründe, warum Eltern mit ihren Kindern zu Psychologen kommen. Sei es, weil sie selbst die Notwendigkeit erkennen, etwas zu tun, sei es, weil der Kinderarzt, Lehrer oder auch Freunde oder Verwandte es ihnen raten. Kein einfacher Schritt – weder für die Eltern noch für die Kinder. Wobei die kleinen und ganz kleinen Patienten meist relativ unkompliziert seien und meist binnen weniger Wochen therapiert werden könnten, so Catherine Verdier. „Sie lassen sich aufs Malen und Spielen ein und sind gerne hier“, hat sie beobachtet.
Schwieriger sei es da schon, an die Jugendlichen „heranzukommen“. „Das reizt mich sehr und ist eine große Herausforderung“, erzählt die Psychologin und Psychotherapeutin. Viele kämen mit einer wahren „Null Bock-Haltung“ zu ihr, ohne einzusehen, warum sie in die Praxis müssen. Mit Einfühlungsvermögen und Gesprächen gelte es dann, ihr Vertauen zu gewinnen und sie aus der Defensive zu locken. „Es geht darum, dass sie herausfinden, wer sie sind, was sie als Personen ausmacht“, sagt sie. Einen Stammbaum der Familie aufzuzeichnen, sei da beispielsweise eine gute Methode, um anzufangen.
Die Arbeit mit Jugendlichen kann sich über Jahre hinziehen. Manche begleitet Catherine Verdier bis zu ihrem Schulabschluss. „Irgendwann sehen sie, dass ich nicht alles ihren Eltern weitererzähle, und sie beginnen, unsere Therapiestunden schätzen zu lernen“, sagt sie. Und wie oft werden die Eltern selbst eingebunden in die Therapie? „Es geht vor allem um die Kinder und Jugendlichen“, betont Catherine Verdier. Sollte sich bei den Eltern zeigen, dass sie selbst Hilfe brauchen, rate man ihnen, diese auch in Anspruch zu nehmen. „Denn nur, wer sich selbst respektiert, kann auch seine Kinder respektieren.“
(VON BIRGIT PFAUS-RAVIDA - FOTO:MICHEL BRUMAT)
Bei der Psychologin Catherine Verdier klingelt unablässig das Telefon. „Schon wieder jemand, der sich zu unserer Konferenz anmeldet!“ sagt sie und macht sich eine Notiz. „Der Andrang ist wirklich riesig. Wir mussten schon den Raum wechseln, haben jetzt aber mit 140 Personen das absolute Teilnehmer-Maximum erreicht“, fügt sie hinzu. Ob Ärzte, Lehrer, Eltern, Richter, Anwälte oder Studenten: Auch die Bandbreite der Interessierten ist groß. „Les enfants du stress“ – ganz offensichtlich handelt es sich dabei nicht um ein Randthema.
Übertrieben perfekt
Es ist die erste Konferenz seit Jahren, die das Team „Psyfamille“ organisiert. Als Referenten eingeladen sind zwei Psychologen, ein Physiotherapeut, ein Sophrologe (Sophrologie kann man sinngemäß als „autogene Entspannung“ übersetzen) und ein „naturologue“, also ein Naturheilkundler. So setzt sich auch das „Psyfamille“-Team zusammen, um den verschiedenen Faktoren des kindlichen Stresses effektiv zu begegnen. Nach dem Motto: Körper und Seele sind eins.
Jeder der Referenten präsentiert dabei den Stress aus seiner professionellen Sicht: Wo kommt Stress her? Was für Gründe gibt es? Wie äußert er sich? Und was für Lösungen kann es geben? Im Anschluss an die Vorträge wird es eine Diskussion geben. Anstöße dazu gibt es genug. „Ich beobachte wirklich eine Zunahme von Stress-Symptomen bei Kindern – seien es Jugendliche, seien es aber auch schon Kleinkinder oder gar Babys“, berichtet die Psychologin und Psychotherapeutin Catherine Verdier, die seit 14 Jahren mit Kindern arbeitet und vor knapp fünf Jahren „Psyfamille“ ins Leben gerufen hat. Sie und ihre Kollegen sind sich einig: Nie waren Kinder offensichtlich so in Aufruhr, unausgeglichen und beunruhigt wie heute. Wie kommt das?
Manche Kinder sind wegen einer Krankheit oder einer Behinderung gestresst, weil sie ihren Körper als etwas Bedrohliches wahrnehmen. Doch auch körperlich ganz gesunde Kinder sind Opfer des Stresses. Denn: „Die Eltern selbst sind gestresst. Viele sind alleinerziehend, leben in Scheidung, oder sie haben zu viel Arbeit. Die Wirtschaftskrise, Angst um den Arbeitsplatz, Angst vor Terrorgefahren – das alles setzt die Kinder sehr unter Druck. Der Stress der Kinder ist eine Konsequenz daraus“, erklärt Catherine Verdier. Man verlange heute oft einfach zu viel von den Kleinen. Scheidungskinder sollen den Partner ersetzen, sich die Sorgen der Alleinerziehenden anhören. Solche Kinder müssen viel zu schnell erwachsen werden. Auch übertriebener Perfektionismus und zu viele Aktivitäten und Fördermaßnahmen setzen die Kleinen unter Druck.
Die Symptome sind vielfältig: übertriebener Perfektionismus, etwa bei Schulkindern, oder extremer Leistungsabfall, Aufmerksamkeitsstörungen, Hyperaktivität, Aggressivität oder kompletter „Rückzug“, Allergien und Ekzeme, Probleme in der Beziehung mit anderen, ob in der Schule oder im Privaten, „Tics“ und Angstzustände, Schlaf- und Verdauungsstörungen.
Das alles sind Gründe, warum Eltern mit ihren Kindern zu Psychologen kommen. Sei es, weil sie selbst die Notwendigkeit erkennen, etwas zu tun, sei es, weil der Kinderarzt, Lehrer oder auch Freunde oder Verwandte es ihnen raten. Kein einfacher Schritt – weder für die Eltern noch für die Kinder. Wobei die kleinen und ganz kleinen Patienten meist relativ unkompliziert seien und meist binnen weniger Wochen therapiert werden könnten, so Catherine Verdier. „Sie lassen sich aufs Malen und Spielen ein und sind gerne hier“, hat sie beobachtet.
Schwieriger sei es da schon, an die Jugendlichen „heranzukommen“. „Das reizt mich sehr und ist eine große Herausforderung“, erzählt die Psychologin und Psychotherapeutin. Viele kämen mit einer wahren „Null Bock-Haltung“ zu ihr, ohne einzusehen, warum sie in die Praxis müssen. Mit Einfühlungsvermögen und Gesprächen gelte es dann, ihr Vertauen zu gewinnen und sie aus der Defensive zu locken. „Es geht darum, dass sie herausfinden, wer sie sind, was sie als Personen ausmacht“, sagt sie. Einen Stammbaum der Familie aufzuzeichnen, sei da beispielsweise eine gute Methode, um anzufangen.
Die Arbeit mit Jugendlichen kann sich über Jahre hinziehen. Manche begleitet Catherine Verdier bis zu ihrem Schulabschluss. „Irgendwann sehen sie, dass ich nicht alles ihren Eltern weitererzähle, und sie beginnen, unsere Therapiestunden schätzen zu lernen“, sagt sie. Und wie oft werden die Eltern selbst eingebunden in die Therapie? „Es geht vor allem um die Kinder und Jugendlichen“, betont Catherine Verdier. Sollte sich bei den Eltern zeigen, dass sie selbst Hilfe brauchen, rate man ihnen, diese auch in Anspruch zu nehmen. „Denn nur, wer sich selbst respektiert, kann auch seine Kinder respektieren.“
(VON BIRGIT PFAUS-RAVIDA - FOTO:MICHEL BRUMAT)