Park Hotel Berdorf: Eine Reise durch Erinnerungen

(yw) - Andächtig blickt der betagte Mann auf die alten Fotos. Kindheitserinnerungen werden wach als die Bilder an seinen Gedanken vorbeiziehen. "1937 war das Hotel fertig gestellt, ein Jahr bevor ich geboren wurde", erzählt Corneille Schwenninger. Er war der letzte Eigentümer des Park Hotel. Geerbt hatte er es von seinem Vater. Doch die Ursprünge gehen noch weiter zurück. "Eigentlich war es mein Großvater, der den Grundstein meiner zukünftigen Karriere gelegt hatte. 1890 hatte er fast drei Jahre lang in der Hotel-Branche in London gearbeitet. Als er die englische Sprache dann beherrschte, zog er weiter in die Verinigten Staaten. Dort hatte er als Koch im damaligen Station Hotel unweit von Washington gearbeitet. Als er genug Geld beisammen hatte, kam er zurück nach Hause, und hatte dann eine Familie gegründet", erinnert sich Corneille Schwenninger.

Insgesamt zog es seinen Großvater dreimal in die USA. Der Grund: Geld verdienen. Während der Jahrhundertwende besuchten nämlich bereits zahlreiche Touristen die Mullerthalregion rund um Berdorf. "Zu diesen Zeiten galt es Land zu kaufen, um ein Hotel darauf zu errichten", schildert der ehemalige Hotel-Besitzer die Vorhaben seines Vorfahren. Doch das fertiggestellte Hotel sollte sein Großvater nicht mehr erleben, er ist 1934 verstorben.

Es war das Bestreben des Vaters, den Traum vom eigenen Hotel des Großvaters Wirklichkeit werden zu lassen. Somit trat er dann auch in den Betrieb ein. Und bereits 1935 wurde mit dem Bau des Hotels begonnen. Viele Arbeiten konnte der Vater selber verrichten, schließlich war er gelernter Elektriker, erzählt sein heute 74-jähriger Sohn. Einen Abschluss im Hotelmanagement hatte er obendrein.

Vom Park Hotel zum 'Fortress Hotel'

1937 war das Hotel dann fertiggestellt. Den Kunden, die zum größten Teil aus Belgien kamen, standen zehn Zimmer zur Verfügung. Das Tourismusgeschäft schien zu florieren. Doch der Erfolgskurs war nicht von langer Dauer. Der Beginn des Zweiten Weltkriegs stand vor der Tür. Wenig später fielen dann auch die Deutschen in Luxemburg ein, besetzten wichtige strategische Positionen - das Hotel war eine davon. Doch auch unter der Nazi-Herrschaft lief das Geschäft weiter, wenn auch nur schleppend, erzählt Corneille Schwenninger. Unter die Touristen mischten sich nun auch deutsche Fabrikarbeiter, die sich im Hotel niederließen. Im Gegenzug bekam mein Vater Einkaufsgutscheine. "Das war damals üblich mit solchen Gutscheinen einkaufen zu gehen".

"Regelmässig kamen die Deutschen aber auch kontrollieren. Nach dem Zufallsprinzip haben sie die Personendaten der Gäste in verschiedenen Zimmern überprüft. Sie wollten sichergehen, dass die Namen auch mit denen im Gästebuch übereinstimmten", berichtet Schwenninger. Doch trotz der strengen Kontrollen, gelang es dem Hotelbesitzer dennoch Resistenzler zu verstecken . "Das Dach eignete sich besonders gut dafür weil es flach und von einer Mauer umgeben war. Hier konnten sich die Nazi-Gegner unbesorgt verstecken", erzählt der 74-Jährige.


Im Jahr 1944 wendete sich das Blatt. Nachdem die Alliierten die Deutschen hinter die Grenze zurückdrängen konnten, bezogen die US-Soldaten das Hotel, um dort ihr Quartier einzurichten. "Ich kann mich noch genau erinnern", so Schwenninger. "Es war das erste Mal, dass ich einen farbigen Soldaten gesehen habe".

Während der Rundstedt-Offensive gelang es der Wehrmacht erneut die Amerikaner zurück zustoßen, doch das Hotel einnehmen, gelang ihnen nicht, blickt Corneille Schwenninger stolz zurück. Scharfschützen verteidigten das 'Fortress Hotel ', wie die Amerikaner es mittlerweile nannten – und dies mit Erfolg, erzählt er. Von Consdorf aus holten die Allierten erneut zum Gegenschlag aus, rückten mit den Panzern vor und schlugen die Deutschen definitiv in die Flucht. "Die Wehrmacht hatte keine Panzer, um dagegen zu halten, sie hatten nicht einmal eine Kanone", erinnert sich der Hotel-Besitzer. Die Amerikaner belegten das Hotel bis zum Ende des Krieges. "Zwischenzeitlich musste mein Vater die Elektrizität instand setzen, um den Besatzern den nötigen Komfort zu bieten. Wir waren ja alle vorher aus dem Dorf in die Hauptstadt evakuiert worden", erinnert sich Schwenninger.

Nach dem Krieg kehrten die Einwohner von Berdorf wieder in ihr Dorf zurück. "Als mein Vater ins Hotel heimkehrte, war er wie vom Schlag getroffen. Wände und Mauern waren von den Einschusslöchern durchbohrt. Alles in allem war das Hotel schwer beschädigt. Um das Gebäude herum lagen noch tellergroße Minen. Sämtliche Möbel waren kaputt", erzählt der 74-Jährige.

Wie Phönix aus der Asche

Doch all diese Rückschläge hielten den Eigentümer nicht davon ab, das Hotel neu aufzubauen. Nach mehreren Monaten Renovierungs- und Aufbauarbeiten, erstrahlte das Gebäude im Jahr 1952 in neuem Glanz. Aus dem flachen Dach wurde ein Spitzdach und aus den 12 Zimmern wurden nun 20 Zimmer. 1958 wurde der Hotelbetrieb sogar ausgebaut. 40 Zimmer standen den Gästen nun zur Verfügung. Damals kamen 85 Prozent der Touristen aus Belgien, 10 Prozent waren Holländer und die übrigen setzten sich aus verschiedenen Herkunftsländern zusammen. Das Personal dagegen bestand hauptsächlich aus Deutschen, sie arbeiteten dem Eigentümer zufolge vorwiegend in der Küche oder im Garten.

Nach seiner Ausbildung in der Hotelschule in Thonon-les-Bains, musste Corneille Schwenninger Wehrdienst leisten. Nach dem Dienst "überraschte" er seine Mutter mit der Ansage, dass er sich in einer Kunsthochschule im schottischen Aberdeen angemeldet hatte. Dort lernte er auch seine zukünftige Ehefrau kennen.

Als der gereifte junge Corneille nach drei Jahren (1963) seine Studien abgeschlossen hatte, nahm er sich vor den Hotelbetrieb zu übernehmen. Anfangs boomte das Geschäft, doch im Winter blieb die Klientel aus. "Daat as mer net gaang", erzählt er. Schnell musste ein zweites Standbein her. Fortan widmete Corneille Schwenninger sich dann auch der Kunst, der Keramik. Sein Hobby machte er dann vorübergehend zu seinem zweiten Beruf. Später hatte er ab 1966 zehn Jahre in der Handwerkerschule in der Hauptstadt unterrichtet.

Parallel dazu wuchs das Familienunternehmen zu einem der führenden Hotels in der Region heran. Und die stetig wachsende Beliebtheit diese Kleinods im Herzen der Kleinen Luxemburger Schweiz veranlassten den Besitzer dazu, sich voll und ganz dem Hotel zu widmen. So sollte das Haus noch einmal von Grund auf renoviert und modernisiert werden. 1977 ließ der Eigentümer an den westlichen Flügel des Gebäudes eine Rotonde anbauen, in den frühen Achtzigern hat er dann zusätzlich sämtliche Zimmer renoviert. Ein Schwimmbecken gehörte fortan auch zum Anwesen. Zudem legte der Besitzer viel Wert auf qualifiziertes Personal. Nachdem Corneille Schwenninger sein Hotel den Erfordernissen der modernen Zeit angepasst hatte, wurde das Gewerbe sogleich mit drei Sternen im Guide Michelin ausgezeichnet. Hinzu verdiente das Hotel sich noch fast 30 Jahre lang einen Eintrag in den beiden Touristenführern "Relais du Silence" und "Châteaux et demeures de tradition".

Eine Ära geht zu Ende

Seit Anfang 2000 jedoch lief das Geschäft nicht mehr nach den Vorstellungen seines Betreibers. Die goldenen Zeiten schienen vorbei zu sein. "Das Hotel zu leiten, erwies sich sich als immer schwieriger. Mit dem Unternehmen war extrem viel Arbeit verbunden, das richtige Personal zu finden wurde auch nicht einfacher. Die Kinder bekundeten auch kein Interesse daran das Gewerbe zu übernehmen", berichtet der ehemalige Hotelier wehmütig. Eine Nachfolge bot sich demnach nicht an, geschweige denn ein ein Käufer. Schlussendlich zogen die Eigentümer die Notbremse. Die Ära Schwenninger stand vor dem Aus. Im Jahr 1999 legte sich das Haus dann zur Ruhe.

Heute steht das Park Hotel leer und verlassen am Wegesrand. Der einstige Kleinod im Mullerthal entwickelte sich über die Jahre hinweg zu einem buchstäblichen Schandfleck. Denn bereits kurz nach dem Ende seiner "Vita", wurde das Anwesen regelrecht geplündert. Sämtliche Möbelstücke, bewegliches Inventar und alles was noch irgendwie verwertbar schien, wurde einfach entwendet. Zurück bleibt bis heute ein leerstehendes marodes Gerüst, ausgenommen wie eine Weihnachtsgans, das nur noch auf seinen Abriss wartet. Der soll auch schon im kommenden Jahr erfolgen. Ein Immobilienmakler hat das Grundstück nämlich gekauft. Die alten Gemäuer sollen Platz für moderne Wohnungen machen.

Auch wenn die Erinnerungen bleiben, für den ehemaligen Besitzer Corneille Schwenninger ist die Lösung hier etwas ganz Neues entstehen zu lassen, die beste. "Es ist besser so wenn es abgerissen wird. Man muss realistisch genug sein, um zu erkennen, dass es nun mal so ist. Es ist Teil der Geschichte, es ist eben so... "