Chefetage aus der Schusslinie

Zweite Verhandlungswoche im Prozess um den Absturz einer Luxair-Fokker mit 20 Toten am 6. November 2002 nahe Niederanven. Nachdem an den ersten Prozesstagen drei Sachverständige gehört wurden, war es gestern am leitenden Ermittler der Kriminalpolizei, die Ergebnisse seiner Untersuchung vorzulegen. Dabei ging es in erster Linie um ein nicht ausgeführtes technisches Upgrade an einer Kontrolleinheit der Fokker, die in der Verantwortung der technischen Abteilung bei Luxair lag. Die Chefetage ihrerseits wurde durch die Aussagen des Ermittlers entlastet.

Zu Beginn seiner gestrigen Aussage konzentrierte sich der Ermittler auf seine Untersuchung im Luxair-Apparat, bei der mögliche Verfehlungen in Sachen Wartung und damit Flugtauglichkeit der Fokker 50 im Fokus standen. Dabei war erwartungsgemäß wieder einmal die Rede von der bereits mehrfach thematisierten Anomalie der „Skid Control Unit“ (SCU), die trotz ihrer Kenntnis nicht von Luxair behoben worden war.

Fokker hatte bekanntlich in einem Rundschreiben im Jahre 1994 den Fluggesellschaften eine Änderung an der SCU ans Herz gelegt, diese aber nur „als optional“ und „zu Kosten des Betreibers“ gekennzeichnet. Besagte Anomalie soll mit ein Grund dafür gewesen sein, dass per Schubhebel die Propeller der Unglücksmaschine in ihre ungewöhnlichen und damit fatalen Positionen gebracht werden konnten.

In Zusammenhang mit der SCU-Anomalie konfrontierte der vorsitzende Richter Prosper Klein die Angeklagten mit der Tatsache, dass besagte Anomalie bereits vor 1994 von Luxair selbst entdeckt worden sei. So sei es zumindest der Aussage des damaligen „Head of engineering and planning“ zu entnehmen.

Ein angeklagter Ex-Abteilungsleiter erklärte hierzu gestern, dass nicht die Anomalie basierend auf den elektronischen Signalen der SCU von Luxair festgestellt worden war, sondern die Tatsache, dass bei Betätigung des sogenannten „Ant-Skid-Test“-Knopfes während 16 Sekunden der „Secondary Stop“ – jene Sperre im Motorgehäuse, die das Abrutschen des Schubhebels in den sogenannten Beta-Modus verhindern soll – außer Kraft gesetzt werde. Dieses Problem sei dann neben der erstgenannten Anomalie von Fokker selbst im Rahmen des „Service Bulletin“ Nr. 137 im Dezember 1994 angesprochen worden.

Doch nur „Peanuts“?

Richter Klein bestätigte die Ausführungen des Ex-Luxair-Direktors, stellte aber sogleich die Frage in den Raum, warum die empfohlene Änderung an der SCU denn nicht vorgenommen worden war. Vom technischen Aspekt und in puncto Material sei dies doch „Peanuts“ gewesen. Nach dem Unglück habe man sich in Bezug auf den „Service Bulletin“ Nr. 137 viele Fragen gestellt, so ein angeklagter Ex-Abteilungsleiter der Luxair hierzu.

In diesem Zusammenhang erläuterte Richter Klein nochmals, dass man sich hier nur mit jenen Dingen zu beschäftigen habe, die den sieben Angeklagten zur Last gelegt werden. Fokker und auch andere Instanzen seien bekanntlich zu einem früheren Zeitpunkt von der Strafverfolgung ausgeschlossen worden. Das möge man für gut befinden oder nicht, Einfluss darauf habe dieses Gericht nicht, so Richter Klein.

Des Weiteren nahm der vorsitzende Richter gestern zum Teil die Luxair-Chefetage aus der Schusslinie, indem er sagte, dass die angeklagten Generaldirektoren weder einen Pilotenschein besitzen, noch sich in technischen Dingen wie Wartung auskennen würden. Die Aufgaben der Generaldirektion bei der Fluggesellschaft hätten sich auf ganz andere Bereiche konzentriert. So bestätigte auch der leitende Polizeiermittler, dass die Generaldirektoren wohl in Bezug auf die genannten Fokker-„Service Bulletins“ keine Kenntnis oder Handhabe gehabt haben.

Problem dem Piloten bekannt?

Kenntnis darüber gehabt haben, sollen hingegen die Piloten. Laut Ermittler seien sie im August 1994 darüber informiert worden. Auch sei das Problem ab 1998 im „Aircraft Operating Manual“ (AOM) der Luxair als deutliche Warnung vermerkt gewesen.

Ob der angeklagte Pilot allerdings ein Exemplar mit der entsprechenden Warnung erhalten hatte, war nicht zweifelsfrei zu klären. Laut Staatsanwaltschaft habe das AOM, das aus dem Cockpit der Unglücksmaschine geborgen worden war, den Vermerk enthalten. Das AOM des Piloten selbst habe dessen Vater der Polizei erst im Jahre 2006 übergeben – mit integrierter Warnung. Wo das Handbuch sich zwischen 2002 und 2006 befunden hatte, das entziehe sich der Kenntnis der Staatsanwaltschaft. Ebenso, ob der Pilot sein Handbuch stets auf dem neusten Stand gehalten habe.

Das sei allerdings auch nicht so wichtig, brachte es Richter Klein auf den Punkt. Denn aus den Aussagen des Piloten gehe klar hervor, dass er sehr wohl gewusst habe, dass es untersagt war, den Schubhebel während des Fluges in den Beta-Modus zu bugsieren. Der Pilot bliebe denn ja auch bei seiner Haltung, dass er dies eben nicht getan habe. (VON GILLES SIEBENALER)