Die Firma Mathis Prost und die Moselmetropole

Das etwas zurückgelegene, eher unscheinbare Haus an der Nummer 33 in der Triererstraße in Grevenmacher steht seit vergangener Woche nicht mehr. Der Bagger hat den letzten lokalen Sitz eines alteingesessenen Luxemburger Familienbetriebs dem Erdboden gleichgemacht. Damit bleiben kaum noch Spuren des Unternehmens, das 1847 in Grevenmacher gegründet und dort groß wurde. Lediglich die Schrift auf dem ehemaligen Lager an der Moselstraße erinnert an die Wurzeln der Firmengruppe Mathis Prost.

Alles begann im Jahre 1847, als der aus Remich stammende Nicolas Prost (1825-1898) an der Hauptkreuzung im Herzen von Grevenmacher eine Kolonialwarenhandlung eröffnete. An der Stelle, wo die Triererstraße und die damalige „Schuckegässel“ sich kreuzten. Kerzen, Sprengpulver und Chemikalien, darunter auch das erste Schädlingsbekämpfungsmittel gegen den Weinrebeschädling Oidium, wurden im Geschäft geführt, das sich rasch zum kleinstädtischen Unternehmen am „Prosteneek“ entwickelte. Dort befand sich der „Nabel der Stadt“ der Knotenpunkt, wo „Weltstraßen“ zusammenliefen und von wo aus die „Prostegässel“ zum Strand führte, wie Jos. Faber (1887-1960) es 1939 in der „Obermosel-Zeitung“ poetisch ausdrückte.

Der Namensgeber

Mathis Prost (1854-1919), welcher der Firma den Namen gab, den sie bis heute trägt, übernahm den väterlichen Betrieb in den 80er-Jahren des 19. Jahrhunderts und verlegte das Engrosgeschäft etwas später in die Triererstraße, wo es bis 2010 bestand. Allerdings muss man erwähnen, dass das erste Gebäude 1945 vollständig zerstört worden war und kurze Zeit später neu aufgebaut wurde.

1899 ließ der clevere Geschäftsmann, der übrigens ein enger Freund des Malers und Schriftstellers Frantz Seimetz (1858-1934) war, ein Lager mit Bahnanschluss in der Nähe des früheren Grevenmacher Bahnhofs an der Bahnstrecke Wasserbillig-Grevenmacher errichten, weil der Handel mit Düngemittel florierte. Dieses Lager steht noch, ist im Besitz der Gemeinde Grevenmacher und wird zurzeit vom Festkomitee als Depot genutzt.

Die Söhne Nicolas (1889-1969) und Victor (1891-1959) übernahmen 1918 die Nachfolge im Betrieb, der sich in der Zwischenzeit stark entwickelt hatte. Nicolas wurde als erster Önologe an der Luxemburger Mosel anerkannt. In der Firma gab man zu der Zeit die Kolonialwarenbranche auf. Eine Abteilung für Weinbehandlung und Beratung der Winzer wurde gegründet, der Düngemittelhandel ausgebaut und eine Großabteilung für pharmazeutische Produkte geschaffen.

In den 30er-Jahren des 20. Jahrhunderts hatten die Geschäftsaktivitäten sich über das ganze Land ausgedehnt, sodass man ein Gelände mit Halle in der Grevenmacher Kellereistraße erwarb. Die Hallen wurden ausgebaut, und der hohe Schlot, der dazu gehörte, prägte jahrzehntelang das Stadtbild. Heute befindet sich die neue Sporthalle des „Lycée technique Joseph Bech“ auf diesem Gelände. Auch wenn man nach dem Zweiten Weltkrieg die pharmazeutische Abteilung in die Hauptstadt verlegte, gab man den Grevenmacher Stammsitz keineswegs auf. Anfang der 50er-Jahre wurden sowohl die Büros als auch die Lagermöglichkeiten für Chemikalien, Düngemittel, Schädlingsbekämpfungs- und Pflanzenschutzmittel vergrößert. Ab 1952 leiteten Jean Prost (1928-1971) und Joseph Prost (* 1928), in vierter Generation den immer noch expandierenden Familienbetrieb. In den 70er- Jahren kamen die Verwaltung und Buchhaltung sowie das Rechnungs- und Finanzwesen in den Gesellschaftssitz nach Luxemburg-Stadt.

1984 trat Victor Prost (* 1960) in die Firma ein. Er steht in fünfter Generation an der Spitze der Firmengruppe, die mittlerweile unterteilt ist in die Branchen Pharmazie – sie stellt den größten Bereich –, Weinbau- und Kellereibedarf sowie Schwimmbadbedarf, und deren Firmensitz sich seit 1996 in der Industriezone Rolach in Sandweiler befindet.

Keinesfalls vergessen hat der dynamische Firmenchef jedoch die Grevenmacher Wurzeln der Familie, auf die er – zusammen mit seinem Vater Joseph („Jupp“) – zu Recht stolz ist. Schon bald dürfte eine moderne Residenz dort stehen, wo einst die Familie Prost wirkte. Vielleicht wird ja der Name in ihr weiterleben …

„De Borge(r)meester“

Unbedingt hervorheben muss man die Rolle, welche die Familie Prost im öffentlichen Leben Grevenmachers spielte. Bereits der Firmengründer Nicolas war ab 1884 Gemeinderat und ab 1896 Schöffe in der Moselmetropole. Auch der Namensgeber Mathis widmete sich der Lokalpolitik, ab 1899 als Gemeinderatsmitglied und ab 1906 als Schöffe. Er war zudem Präsident und Kommandant der lokalen Feuerwehr.

Eine herausragende Rolle spielte jedoch Victor Prost. Derjenige, der ab 1919 als Gemeinderatsmitglied und kurze Zeit später auch als Schöffe fungierte, ging schlichtweg als „de Borge(r)meester“ in die Geschichte der Moselmetropole ein, an deren Spitze er von 1929 bis zu seinem Tod im Jahre 1959 stand. Ihm war es gegönnt, Erbgroßherzog Jean anlässlich der Unabhängigkeitsfeier von 1939 zu empfangen. Er litt mit vielen Bürgern seiner Stadt während der unseligen Zeit des Zweiten Weltkriegs.

Im Beisein von Großherzogin Charlotte und Prinz Félix, nahm der amtierende Bürgermeister 1952 bei der 700-Jahrfeier der Freiheitsurkunde aus den Händen des „Stadtrichters“ den „neuen Freiheitsbrief“ entgegen. Und 1956, bei der Einweihung des Kreuzerbergs als Totengedenkstätte des Moselstädtchens betonte er: „D’Stad Gréiwemaacher huet haut e Verspriechen ageléist. (…) Am Numm vum Comité iwwerginn ech dëse Calvaire der Gréiwemaacher Jugend, séi soll dat Monument als en Hellegtom an Éieren halen a betreien.“

Dass die Straße, die vom „Prosteneek“ zur Mosel führt, die einstige „Schuckegässel“, die später im Volksmund „Prostegässel“ genannt wurde, seit den 90er-Jahren den Namen „rue Victor Prost“ trägt, ist wohl selbstverständlich. (Monique Hermes)

(Quellen: „Mathis Prost, 1847-1997, Festschrift zur 150-Jahrfeier)