Vortrag über das KZ Natzweiler-Struthof von Prof. Robert Steegmann

Für über 50 000 Menschen war es die Hölle. Auch zahlreiche Luxemburger erlebten sie im Konzentrationslager Natzweiler-Struthof in den Vogesen. Das Lager war das Thema eines Vortrags von Prof. Robert Steegmann im Dokumentationszentrum über die Zwangsrekrutierung in Hollerich. Prof. Steegmann ist Doktor der Geschichte und lehrt zeitgenössische Geschichte in Straßburg. Über das KZ Natzweiler-Struthof hat er bereits mehrere Bücher veröffentlicht.

Prof. Steegmann beschäftigt sich seit 20 Jahren intensiv mit der Geschichte des einzigen Konzentrationslagers auf französischem Boden, das seit 1955 für Besucher geöffnet ist. Bei seinen Nachforschungen stützte er sich u. a. auf die Aussagen von Zeitzeugen, unter ihnen auch der Luxemburger Ernest Gillen.

Laut Prof. Steegmann gibt es über das KZ Natzweiler-Struthof nur wenige Dokumente. Sogar die Lokalbevölkerung sei kaum über die Existenz des Lagers informiert gewesen. Angeblich wussten 90 Prozent der Bevölkerung nicht, was sich in den Vogesen auf einer Höhe von 800 Metern abspielte. Die Gegend war ein Luftkurort und wurde vor dem Krieg hauptsächlich von Einwohnern aus Straßburg besucht, die sich zum Ski- oder Schlittenfahren in die Vogesen begaben.

Die ersten Konzentrationslager in Deutschland wurden schon kurz nach der Machtergreifung Hitlers in Deutschland am 30. Januar 1933 eingerichtet. Bereits am 28. Fabuar 1933 unterzeichnete der Diktator ein Dekret über die Schutzhaft, das es erlaubte, Menschen zu verhaften, ohne ein Motiv anzugeben. Das erste Lager, in dem politische Gegner eingesperrt wurden, wurde am 20. März 1933 in Dachau bei München eröffnet.

Die Geschichte des KZ Natzweiler-Struthof begann am 21. Mai 1941. Die ersten 150 Häftlinge wurden aus Sachsenhausen dorthin verlegt. Kurze Zeit später folgten 150 weitere. Die 300 Leute bauten das Lager in den Vogesen, die von den Besatzern als deutsches Gebiet angesehen wurden. Ein zweites Lager entstand in unmitelbarer Nähe in Schirmeck, bei dem es sich um ein sogenanntes Erziehungslager handelte. Von Natzweiler wurde hingegen angenommen, dass es sich um ein Vernichtungslager handelte, was aber nicht der Fall war.

Bei seinen Nachforschungen ist Prof. Robert Steegmann bisher auf die Namen von 52 000 Häftlingen gestoßen. Seine Arbeit ist aber noch nicht abgeschlossen. 1941 waren in Natzweiler-Struthof 528 Häftlinge, hauptsächlich Deutsche. Die Zahl stieg 1942 bereits auf 1 465 und 1943 auf 4 808. Insgesamt sollen über 52 000 Männer und Frauen die Hölle von Natzweiler erlebt haben. Unter ihnen waren 35 Prozent Polen, 25 Prozent Russen und auch 400 Luxemburger, deren erste Leidensstation in der Regel das SS-Sonderlager Hinzert im Hunsrück gewesen war. Kommandant Josef Kramer bezeichnete Natzweiler als ein kleines Lager. Im Laufe der Zeit entstanden aber immerhin 70 Nebenlager. Eines davon befand sich in Thil in unmittelbarer Nähe der französisch-luxemburgischen Grenze bei Esch/Alzette.

Das KZ in den Vogesen hatte ab 1943/44 auch seine Eigenheiten. So wurde ein eigenes Zivilstandsregister im Lager eingerichtet. Bis dahin wurden die Namen der Toten im Rathaus in Natzweiler eingetragen. Ab diesem Zeitpunkt sollten ihre Namen aber nicht mehr bekannt werden. Gleichzeitig wurde ein Krematorium gebaut. Vorher wurden die Toten in Straßburg eingeäschert.

Ab 1943 gab es auch die ersten Hinrichtungen im Lager selbst oder in einem nahe gelegenen Steinbruch. Alleine in der Nacht vom 1. auf den 2. September 1944 wurden über 140 Häftlinge erschossen und eingeäschert. Ebenfalls ab 1943 wurden medizinische Experimente an Insassen durchgeführt. Zu diesem Zweck wurde eine Gaskammer eingerichtet, um die Reaktionen von Menschen auf Giftgas zu testen.

Die Sterblichkeitsrate im Lager lag bei 40 Prozent. Bei ihrer Einlieferung in das KZ lag die Lebenserwartung der Häftlinge bei durchschnittlich drei Monaten.

Beim Anrücken der Amerikaner gaben die Deutschen das Lager auf. Anfang September 1944 wurden 5 517 Häftlinge in das KZ Dachau verlegt. 500 blieben in Natzweiler. Dabei war das Lager ursprünglich für 3 000 Menschen gebaut worden. Am 11. November 1944 floh der Lagerkommandant. Der Spuk Natzweiler-Struthof näherte sich seinem Ende. (rsd)