Hauptstadt und Howald wachsen zusammen

Auf einem Areal von 64,4 Hektar sollen Wohnungen, Büros, Geschäfte und ein Peripherie-Bahnhof entstehen

Wo sich heute das „Centre douanier“, der „Park&Ride Sud“ und die Fahrzeugverwahrstelle der Polizei befinden, sollen in den kommenden Jahren und Jahrzehnten die Stadt Luxemburg und die Gemeinde Hesperingen durch Wohn- und Bürogebäude, Grünflächen und einen Peripheriebahnhof in der Nähe des Cactus Howald zusammenwachsen. Die Autobahn wird voraussichtlich hinter dem Gaspericher Kreuz zu einem Boulevard zurückgebaut. So entstehen Wohnungen für mehrere tausend Einwohner, Arbeitsplätze und neue Geschäftsflächen.

Im „Masterplan Midfield“ wird festgelegt werden, wie sich das Planungsareal, das sich vom Ban de Gasperich über das Midfield bis zum Ende der Industriezone Howald erstreckt, in den kommenden Jahren und Jahrzehnten entwickeln soll. 2009 wurde eine Arbeitsgruppe zwischen dem Ministerium für Nachhaltigkeit, dem Finanzministerium, der Stadt Luxemburg und der Gemeinde Hesperingen geschaffen. Diese beauftragte in einer ersten Phase drei interdisziplinäre Teams mit Entwürfen für einen Masterplan. Die Testentwürfe wurden ausgewertet und in einer zweiten Phase das Büro „Güller Güller“ beauftragt, auf dieser Grundlage mit dem Büro ZUS den „Masterplan Midfield“ zu erstellen. Am 12. Juli trafen die Verantwortlichen von Staat und Gemeinden erstmals zu einem Workshop mit den neuen Planungsbüros zusammen.

Den Impuls für das Projekt lieferten zwei Vorhaben: der angestrebte Rückbau der Autobahn und der geplante Peripheriebahnhof Howald, der unabdingbar ist, damit die Urbanisierung des Ban des Gasperich nicht in ein Verkehrschaos ausartet.

Trennwirkung von Autobahn und Eisenbahn aufheben

Während für das Grossfeld die Planung bereits weit vorangeschritten ist, steht sie für das Midfield und Howald noch am Anfang. Hauptanliegen von Staat und Gemeinden ist es, die Trennwirkung der Autobahn und der Zugstrecke aufzuheben bzw. zu verringern und an diesem bislang weitgehend ungenutzten Standort, der durch die Autobahn, den Bahnhof und später die Tram außergewöhnlich gut erreichbar sein wird, ein neues Stadtviertel mit eigenem Charakter und ausgeglichener Nutzung für Wohnen und Arbeiten zu entwickeln. Dazu zählen soll auch die heutige Industriezone Howald, wo ebenfalls Wohnungen und Büros entstehen sollen.

„Nach Belval wird dies eines der größten Entwicklungsprojekte in Luxemburg sein“, sagt der Hesperinger Bürgermeister Marc Lies. „Zunächst werden die nötigen Verkehrsinfrastrukturen geschaffen, d. h. der Bahnhof Howald gebaut und die Autobahn zurückgebaut.“ Obwohl nur ein sehr kleiner Teil des Midfield auf dem Gebiet der Hauptstadt liegt, ist auch Bürgermeister Paul Helminger stark am Projekt interessiert: „Hier befindet sich eine der wichtigsten Zufahrten zur Stadt. Es gilt nicht zuletzt festzulegen, wie der Anschluss des Ban de Gasperich ans Schienennetz sowie an die Autobahn hergestellt werden kann.“

Eines der drei in der ersten Phase beauftragten Teams schlug vor, die Autobahn nach Süden zu verlegen, damit sie unmittelbar neben der Zugstrecke verlaufen würde. Dadurch würden attraktive Wohnlagen entstehen, doch würden die über die Autobahn und die Zugstrecke führenden Verbindungsbrücken zwischen Howald und Midfield zu lang ausfallen, um die gewünschte Fußgänger- und Radfahrerfreundlichkeit zu gewährleisten – dadurch soll das Einzugsgebiet des Bahnhofs so groß wie möglich werden. Zudem müsste die Verlegung der Autobahn sofort erfolgen, was für den Staat derzeit zu hohe Investitionen bedeuten würde. Die beiden anderen Testentwürfe setzten in diesem Punkt auf andere Lösungen. So wurden ein Rückbau der Autobahn zu einer begrünten Avenue – z.B. durch eine allmählichen Verringerung der Straßenbreite von sechs auf vier und dann auf zwei Spuren – und eine Überdeckelung der Autobahn vorgeschlagen. Bei der Erstellung des Masterplans sollen beide Ideen weiter verfolgt werden, wobei auf das hohe Verkehrsaufkommen geachtet werden muss. Das Gaspericher Kreuz soll unverändert erhalten bleiben. Ein ovaler Kreisverkehr – die Form erklärt sich durch jeweils zwei Auf- und Abfahrten im Süden – soll den Verkehr verteilen, wobei der Boulevard Raiffeisen und der Boulevard de Kockelscheuer im Ban de Gasperich (für beide wurde ein Gesetzprojekt bei der Abgeordnetenkammer deponiert) sowie die Rue des Scillas in Howald die Hauptverkehrsachsen bilden werden – ob die drei Straßen den Verkehr tatsächlich verarbeiten können, soll bei Verkehrssimulationen überprüft werden. Durch die Rue des Scillas könnte auch die Tram fahren.

Die Baudichte soll insgesamt hoch werden, vor allem im Umfeld des Bahnhofs und am geplanten Boulevard Raiffeisen, der vom Kreisverkehr bei der „Gamm Vert“ aus durch den Ban de Gasperich zum Midfield führen wird. Auf dem 21,5 Hektar großen Midfield schlugen die Planungsteams eine Bruttogeschossfläche von 193 000 bis 385 000 Quadratmetern vor, in der 42,9 Hektar großen Industriezone von Howald eine Bruttogeschossfläche von 348 000 bis 530 000 Quadratmetern.

Eine Betonwüste soll das neue Viertel aber nicht werden. Eine planerische Vorgabe besagt, dass sich ein Grünstreifen vom Drosbach im Nordosten zum Weierbach im Süden erstrecken soll, um den Bewohnern als Naherholungsgebiet zu dienen. Auch soll die Bebauung durch Grünflächen aufgelockert werden. Ein Planungsteam schlug sogar einen Park mit Badestrand vor. Während ein autofreies Viertel bislang nur eine Idee eines Teams ist, gehört es zu den Vorgaben, dass Dachflächen begrünt werden sollen. Durch ein restriktives Parkraumangebot soll ein Anteil der öffentlichen Transportmittel von 40 Prozent erreicht werden. Ein Energiekonzept für das gesamte Areal ist ebenso vorgesehen wie eine Regenwasser- bewirtschaftung.

„Public-Private Partnerships“ sind möglich

Der Bahnhof soll zur symbolischen Mitte des Viertels werden und die Grundlage für die Entwicklung des Viertels darstellen. Ein Busbahnhof, der sich auf einem Deckel über den Gleisen befinden könnte, eine Tram-Haltestelle sowie nicht zuletzt Fuß- und Radwege, die eine bedeutende Rolle spielen sollen, müssen vom Bahnhof aus leicht erreichbar sein.

Die nebenstehende Illustration von Teisen&Giesler (aus einer Machbarkeitsstudie aus dem Jahr 2009) macht keine Aussagen über die Architektur, sondern über die theoretischen Bauvolumen im Umfeld des Bahnhofs Howald. Vorgeschlagen wird dabei eine begrünte, für Busse, Radfahrer und Fußgänger reservierte Verbindung vom Busbahnhof (rechts) zum Lycée Vauban (ganz links, nicht eingezeichnet – links oben das Rettungsdienste-Zentrum).

Wie schnell die neuen Stadtviertel nach der Erstellung des Masterplans verwirklicht werden können, hängt vor allem von der wirtschaftlichen Entwicklung ab. Die Umsetzung wird jedoch voraussichtlich in Etappen erfolgen. Die Möglichkeit von „Public-Private Partnerships“ soll dabei untersucht werden. (VON RAPHAEL ZWANK UND MICHÈLE GANTENBEIN ILLUSTRATION:ARGE TEISEN&GIESLER/NICKLAS)