Wer kann sich nicht an Theateraufführungen erinnern, bei denen einige Kinder als „Bühnendekoration“ in den Kulissen herumstanden und selten aktiv am Geschehen auf der Bühne teilnahmen? In den Projekten der „Theaterschoul“ hingegen wird Wert darauf gelegt, dass möglichst alle Kinder ihre Rolle finden. Aus diesem Grund muss das Angebot weit gefächert sein, denn nicht jedes Kind hat die Fähigkeit, einen Text auswendig zu lernen und aufzusagen.
„In unseren Theaterprojekten versuchen wir, jedes Kind gemäß seinen Fähigkeiten einzubinden. Theater, Zirkus, Tanz und Musik sind für Kinder interessante Ausdrucksformen und pädagogisch sehr wertvoll, u. a. was die Konzentration und Teamfähigkeit anbelangt“, erklärt Roland Meyer, der die Theaterschule 2008 gegründet hat. Der Grundschullehrer leitet seit nun fast 20 Jahren die Kindertheatergruppe „Den Holzwuerm“ in der Grundschule „Parc Housen“.
„Vor drei Jahren ist das Unterrichtsministerium an uns herangetreten mit der Frage, wie man dieses pädagogische Projekt auch anderen Schulklassen zugänglich machen könnte. So ist die Idee der Theaterschule entstanden. Das Ministerium hat mittlerweile einen Vollzeitposten für die Theaterschule zur Verfügung gestellt, das heißt 24 Schulstunden, die wir uns zu viert teilen. Zieht man den Erfolg der Theaterschule in Betracht, reicht dies jetzt schon bei weitem nicht mehr aus“, meint Roland Meyer, der zusammen mit den Grundschullehrern Carole Flesch (Theaterpädagogin), Vanessa Brück (Tanz) und Sam Muller (Zirkuspädagoge) arbeitet.
Jeden Mittwoch bietet die Theaterschule Schnupperkurse für Klassen vom ersten bis zum vierten Zyklus an. Das Programm dieser Einsteigerkurse wird jeweils an das Alter der Schüler angepasst und umfasst immer folgende Punkte: der Theatersaal mit Bühne, Beleuchtung, Maske, Kostüm und Musik; der Zuschauer und der Schauspieler mit Sprache, Bewegung und Regeln; der Weg auf die Bühne mit Spielen, Übungen und Improvisationen; der Körpereinsatz mit Tanz, Pantomime und Körpersprache sowie Zirkusaktivitäten mit Jonglage, Akrobatik und Balance. „Für dieses Jahr sind alle Schnupperkurse bereits ausgebucht. Wie es im nächsten Jahr aussieht, hängt u. a. davon ab, ob uns der Theatersaal auf dem Campus Walferdingen weiterhin zur Verfügung steht“, sagt Roland Meyer.
Die Theaterschule bietet auch Beratung, Begleitung und Weiterbildung für Grundschulen und Schulklassen an, die ein Theater- oder Zirkusprojekt planen. „Wir unterstützen die Schulklassen von der Suche eines passenden Stückes über die Lösung technischer Probleme bis hin zur Organisation der Veranstaltung. Oft stellt sich auch die Frage, wie das Theaterprojekt in den Lehrplan integriert werden kann. Wir begleiten die Schulklassen individuell, von einer Betreuung des gesamten Projekts bis hin zur punktuellen Hilfe beim Schreiben eines Stückes z. B.“, erklärt der Gründer der Theaterschule, die in diesem Jahr zwölf Schulklassen bei ihren Projekten begleitet.
So z. B. die Grundschule in Ulflingen. Alle Klassen der vier Zyklen sind an dem Theaterprojekt beteiligt, geschrieben wurde das Stück in einem Schreibatelier. „Die Schüler konnten die Personen erfinden und charakterisieren. Daraus entwickeln sich dann eine Geschichte und die Dialoge. Ein fertiges Stück passt quasi nie auf eine bestimmte Schulklasse. Außerdem bringen solche Erfahrungen die ganze Schule zusammen, und das ist eines unserer Ziele: Teambuilding und Zusammenarbeit, bei der eine Dynamik und neue Strukturen entstehen, die späterhin für andere pädagogische Projekte genutzt werden können. Aus einem Theaterprojekt entspringen pädagogische, didaktische und organisatorische Elemente, deren Summe viel mehr ausmacht als nur das reine Theaterspiel“, erklärt Roland Meyer, selbst begeisterter Autor von Kinderbüchern, Theaterstücken und Musicals. Der sprachliche Aspekt des Theaters ist für die Schüler sehr wertvoll. Hinzu kommen der kreative Prozess und die transversalen Kompetenzen wie Teamfähigkeit, Verantwortung übernehmen, zielorientiert arbeiten, ohne andere zu übergehen usw.
Seit Beginn dieses Jahres bietet die „Theaterschoul“ auch Zirkus- und Theaterkoffer an. „Den Theaterkoffer habe ich selber zusammengestellt, er enthält ein fertiges Theaterstück mit Regieanweisungen. Den Koffer können Schulklassen für sechs Wochen ausleihen, diese Zeit reicht im Prinzip, um das Stück aufzuführen. Einfache Kostüme sind auch dabei sowie die Musik und Bastelanleitungen. Die Möglichkeit besteht auch, dass wir ein, zwei Mal vorbeischauen, um die Klassen bei ihren Vorbereitungen zu unterstützen. Der Theaterkoffer hat riesigen Erfolg, denn er enthält das, was die Schulklassen wollen: ein komplett fertiges Theaterstück. Der aktuelle Koffer ist für den vierten Zyklus der Grundschule. Wir sind jetzt dabei, auch Theaterkoffer für die anderen Zyklen zusammenzustellen; das ist auch für das Lehrpersonal ein einfacher Weg, um mit dem Theater in Kontakt zu kommen“, erklärt Roland Meyer. Der Zirkuskoffer funktioniert nach dem gleichen Prinzip und kennt ebenfalls einen großen Erfolg.
„Zeitlich gesehen stoßen wir an unsere Grenzen. Wir bräuchten mehr Stunden für die Arbeit in der Theaterschule. Da aus dem Norden des Landes nicht viele Klassen nach Walferdingen kommen, wäre es auch praktisch, wenn uns ein paar Theatersäle im Land zur Verfügung stehen würden, in denen wir regelmäßig mit den Kindern arbeiten könnten. Und natürlich würden wir uns über ein größeres Budget freuen, da die Projekte und Koffer momentan von externen Sponsoren finanziert werden“, so Roland Meyer. (mm)