Wegen fahrlässiger Tötung und unterlassener Hilfeleistung muss sich seit gestern vor dem Bezirksgericht in Diekirch ein zuletzt am Wiltzer „Hôpital St-Joseph“ tätiger Arzt verantworten. Dieser hatte einen wenige Tage zuvor an der Hüfte operierten Patienten aus Roullingen bei einer Nachuntersuchung, trotz alarmierender Blutwerte, nach Hause gehen lassen. Eine fatale Entscheidung, wie sich erweisen sollte, verstarb der 74-Jährige doch tags darauf infolge einer schweren Infektion.
Dabei hatte sich der Patient nach seiner erfolgreichen Hüftoperation zunächst recht gut erholt, sodass seiner Entlassung, trotz einer gewissen Schwäche, nichts im Wege stand. Als sich der Zustand des Mannes in den folgenden Tagen jedoch so sehr verschlechterte, dass er sich kaum noch auf den Beinen halten konnte, schlug die Familie des Betroffenen Alarm und bat den Arzt um eine Nachuntersuchung.
Dieser ließ denn auch eine Blutanalyse durchführen, wobei sich herausstellte, dass der Bestand an weißen Blutkörperchen dreimal höher als der zulässige Höchstwert war. Dennoch ließ der Arzt seinen Patienten nach Hause gehen, wo er tags darauf im Treppenhaus tot zusammensackte. Ein fatales Nichteingreifen des Arztes, das daraufhin zum Tod führte?
„Dreimal mehr Leukozyten als höchstzulässig“
„Die 30 000 Leukozyten im Blut des Patienten waren ein deutliches Alarmzeichen für eine Infektion, auf die der behandelnde Arzt unbedingt hätte reagieren müssen“, meinte dazu gestern die mit der Obduktion beauftragte Gerichtsmedizinerin, Dr. Daniela Bellmann, die dem Opfer eine wesentlich höhere Überlebenschance einräumte, hätte man diesen im Krankenhaus behalten. „Das Mindeste wäre gewesen, den Patienten unter Beobachtung zu stellen und anschließend nach dem möglichen Infektionsherd zu suchen“, so Dr. Bellmann, die den Einwand der Verteidigung, der Mann habe an einer bis dahin unbekannten Herzschwäche gelitten, nicht ohne Weiteres gelten ließ: „Auch wenn der Tod letztlich durch Herzversagen eintrat, war die nicht behandelte Entzündung der entscheidende Faktor. Ohne Behandlung wäre der Patient möglicherweise sogar mit völlig gesundem Herzen gestorben.“
Eine Auffassung, welche die Verteidigung dennoch so nicht stehen lassen wollte. Denn hätte der Arzt von der Herzschwäche, die seines Erachtens die wahre Todesursache sei, gewusst, wäre der Patient wohl nicht entlassen worden, so Me Claude Pauly. Dass der Wert an weißen Blutkörperchen beunruhigend gewesen sei, habe sein Mandant zwar gewusst, allerdings hätte es zum Zeitpunkt der Nachuntersuchung keine anderen alarmierenden Symptome für eine Infektion gegeben.
Für einen faden Beigeschmack sorgte gestern vor Gericht jedoch vor allem eine andere überraschende Wende: Hatte der Arzt bis dahin stets behauptet, er habe bei der Untersuchung „keine Bedenken“ gehabt, seinen Patienten zu entlassen, so führte er gestern plötzlich an, er habe dem Mann damals noch geraten, im Krankenhaus zu bleiben, was dieser jedoch abgelehnt habe. Kronzeugin für diese neue Version der Geschehnisse, die ihm erst vor zwei Monaten erneut bewusst geworden sei, sollte eine Krankenschwester sein, die gestern jedoch nicht auftrat, da sie den Gerichtstermin laut Verteidigung offenbar vergessen hatte.
Eine Darstellung, welche allerdings sowohl bei der Staatsanwaltschaft als auch bei Richter Romain Bintener für ungläubiges Staunen sorgte. Geradezu schockiert über den Sinneswandel zeigte sich seinerseits der Anwalt der Hinterbliebenen des Opfers, Me Daniel Cravatte, der für die Witwe, den Sohn und die Tochter des Toten jeweils 25 000 Euro an moralischen Schmerzensgeldern forderte.
Neue Kronzeugin vergaß Gerichtstermin
Auf Freispruch plädierte dagegen Me Claude Pauly, der an einem direkten Zusammenhang zwischen dem Herzversagen des Opfers und dem Verhalten des Arztes angesichts der auffälligen Blutanalyse weiter schwere Zweifel hegte. Das eigentlich „skandalöse Verhalten“ sei vielmehr bei dem Hausarzt zu suchen, der bereits eine Viertelstunde nach dem Notruf im Hause des Verstorbenen eingetroffen sei und einfach den Tod festgestellt habe, ohne eine Wiederbelebung zu versuchen.
Ein „unfassbarer Vorwurf“, wie dagegen im Namen der Staatsanwaltschaft Substitutin Caroline Godfroid meinte. Anstelle den „gravierenden Fehler“ einzugestehen, der ganz klar in direkter Verbindung mit dem Tod des Opfers stehe, versuche man nun einen Hausarzt an den Pranger zu stellen, den man nicht einmal habe vorladen lassen. Demgegenüber hätte der angeklagte Arzt angesichts der Blutanalyse, allen Gutachten zufolge, handeln müssen, so Godfroid, die von einer „schlimmen Schädigung“ des Vertrauens zwischen Arzt und Betroffenen sprach und sechs Monate Haft auf Bewährung forderte. Das Urteil ergeht am 7. Juli. (jl)
Dabei hatte sich der Patient nach seiner erfolgreichen Hüftoperation zunächst recht gut erholt, sodass seiner Entlassung, trotz einer gewissen Schwäche, nichts im Wege stand. Als sich der Zustand des Mannes in den folgenden Tagen jedoch so sehr verschlechterte, dass er sich kaum noch auf den Beinen halten konnte, schlug die Familie des Betroffenen Alarm und bat den Arzt um eine Nachuntersuchung.
Dieser ließ denn auch eine Blutanalyse durchführen, wobei sich herausstellte, dass der Bestand an weißen Blutkörperchen dreimal höher als der zulässige Höchstwert war. Dennoch ließ der Arzt seinen Patienten nach Hause gehen, wo er tags darauf im Treppenhaus tot zusammensackte. Ein fatales Nichteingreifen des Arztes, das daraufhin zum Tod führte?
„Dreimal mehr Leukozyten als höchstzulässig“
„Die 30 000 Leukozyten im Blut des Patienten waren ein deutliches Alarmzeichen für eine Infektion, auf die der behandelnde Arzt unbedingt hätte reagieren müssen“, meinte dazu gestern die mit der Obduktion beauftragte Gerichtsmedizinerin, Dr. Daniela Bellmann, die dem Opfer eine wesentlich höhere Überlebenschance einräumte, hätte man diesen im Krankenhaus behalten. „Das Mindeste wäre gewesen, den Patienten unter Beobachtung zu stellen und anschließend nach dem möglichen Infektionsherd zu suchen“, so Dr. Bellmann, die den Einwand der Verteidigung, der Mann habe an einer bis dahin unbekannten Herzschwäche gelitten, nicht ohne Weiteres gelten ließ: „Auch wenn der Tod letztlich durch Herzversagen eintrat, war die nicht behandelte Entzündung der entscheidende Faktor. Ohne Behandlung wäre der Patient möglicherweise sogar mit völlig gesundem Herzen gestorben.“
Eine Auffassung, welche die Verteidigung dennoch so nicht stehen lassen wollte. Denn hätte der Arzt von der Herzschwäche, die seines Erachtens die wahre Todesursache sei, gewusst, wäre der Patient wohl nicht entlassen worden, so Me Claude Pauly. Dass der Wert an weißen Blutkörperchen beunruhigend gewesen sei, habe sein Mandant zwar gewusst, allerdings hätte es zum Zeitpunkt der Nachuntersuchung keine anderen alarmierenden Symptome für eine Infektion gegeben.
Für einen faden Beigeschmack sorgte gestern vor Gericht jedoch vor allem eine andere überraschende Wende: Hatte der Arzt bis dahin stets behauptet, er habe bei der Untersuchung „keine Bedenken“ gehabt, seinen Patienten zu entlassen, so führte er gestern plötzlich an, er habe dem Mann damals noch geraten, im Krankenhaus zu bleiben, was dieser jedoch abgelehnt habe. Kronzeugin für diese neue Version der Geschehnisse, die ihm erst vor zwei Monaten erneut bewusst geworden sei, sollte eine Krankenschwester sein, die gestern jedoch nicht auftrat, da sie den Gerichtstermin laut Verteidigung offenbar vergessen hatte.
Eine Darstellung, welche allerdings sowohl bei der Staatsanwaltschaft als auch bei Richter Romain Bintener für ungläubiges Staunen sorgte. Geradezu schockiert über den Sinneswandel zeigte sich seinerseits der Anwalt der Hinterbliebenen des Opfers, Me Daniel Cravatte, der für die Witwe, den Sohn und die Tochter des Toten jeweils 25 000 Euro an moralischen Schmerzensgeldern forderte.
Neue Kronzeugin vergaß Gerichtstermin
Auf Freispruch plädierte dagegen Me Claude Pauly, der an einem direkten Zusammenhang zwischen dem Herzversagen des Opfers und dem Verhalten des Arztes angesichts der auffälligen Blutanalyse weiter schwere Zweifel hegte. Das eigentlich „skandalöse Verhalten“ sei vielmehr bei dem Hausarzt zu suchen, der bereits eine Viertelstunde nach dem Notruf im Hause des Verstorbenen eingetroffen sei und einfach den Tod festgestellt habe, ohne eine Wiederbelebung zu versuchen.
Ein „unfassbarer Vorwurf“, wie dagegen im Namen der Staatsanwaltschaft Substitutin Caroline Godfroid meinte. Anstelle den „gravierenden Fehler“ einzugestehen, der ganz klar in direkter Verbindung mit dem Tod des Opfers stehe, versuche man nun einen Hausarzt an den Pranger zu stellen, den man nicht einmal habe vorladen lassen. Demgegenüber hätte der angeklagte Arzt angesichts der Blutanalyse, allen Gutachten zufolge, handeln müssen, so Godfroid, die von einer „schlimmen Schädigung“ des Vertrauens zwischen Arzt und Betroffenen sprach und sechs Monate Haft auf Bewährung forderte. Das Urteil ergeht am 7. Juli. (jl)