Märtyrerstadt Wiltz war am 31. August 1942 Ausgangspunkt des Streiks

Genau 70 Jahre, nachdem am 31. August 1942 um 6 Uhr morgens bei der Ideal-Lederfabrik in Wiltz der landesweite Generalstreik gegen die Einberufung der Luxemburger Jugend in die verhasste deutsche Wehrmacht losbrach, gedachte die Märtyrerstadt Wiltz gestern am nationalen Streikdenkmal erneut der Opfer von Krieg, Zwangsrekrutierung, Umsiedlung und Nazi-Terror.

Ein würdiger Akt, der zugleich Aufruf sein sollte, Extremismus und Gewalt auch in unserer Zeit mutig die Stirn zu bieten.

Als am 31. August gegen 11 Uhr die Sirenen über der Ardennenstadt ertönten, verharrte Wiltz erneut für mehrere Minuten in stillem Gedenken an all jene, die mit im Rahmen des Generalstreiks vor 70 Jahren für unser Land alles gewagt hatten. Ein beispielloser Akt des Mutes, der Heimatliebe und der Verzweiflung zugleich, der letztlich 21 Patrioten das Leben kosten sollte, dem Nazi-Besatzer und der ganzen Welt aber auch eindrucksvoll zeigte, auf welcher Seite der Geschichte das Luxemburger Volk zu stehen gedachte.

„Solidarität und Zivilcourage: Werte in Zeiten der Krise“

Wenn man auch nach 70 Jahren noch an den Generalstreik von 1942 erinnere, so geschehe dies allerdings nicht nur aus dem beständigen Pflichtbewusstsein heraus, den Opfern von damals den verdienten Respekt und Dank zu zollen, sondern auch in der Hoffnung, den kommenden Generationen Werte wie Solidarität und Zivilcourage neu vermitteln zu können, so der Wiltzer Bürgermeister Frank Arndt, der zudem davor warnte, den Stolz auf die nationale Identität mit falschem Nationalismus zu verwechseln.

An die Solidarität und das gegenseitige Vertrauen unter der Bevölkerung, während und nach dem Generalstreik von 1942, erinnerte anschließend aber auch Albert Hansen, Präsident des „Comité directeur pour le souvenir de la Résistance“, der hinsichtlich des 31. August 1942 von einem „Schlüsselmoment“ in der Geschichte unseres Landes sprach. Ohne die Tugend des Zusammenhalts wäre eine kollektive Widerstandsleistung wie das Verstecken und Ernähren der zahllosen Refraktäre unmöglich gewesen, so Hansen.

Im Namen der Regierung nutzte Minister Romain Schneider derweil auch die Gelegenheit, der Stadt Wiltz mit ihren Bürgern, Betrieben, Verwaltungen und Vereinigungen für die stete Bewahrung des Gedenkens an die Opfer des Krieges zu danken. Wie Ehrenbürgermeister André Biver zuvor am Streikdenkmal erinnert hatte, waren im Zuge des Generalstreiks allein aus Wiltz sechs Menschen per Standgericht erschossen worden, während 164 „Weeltzer Jongen“, in die Wehrmacht eingezogen wurden.

Im Anschluss an die Feier wurde im Wiltzer Schloss aber auch eine gemeinsam vom lokalen Philatelistenverein und der „Amicale des Anciens de Tambow“ veranstaltete Briefmarken- und Dokumentenausstellung eröffnet, die sich thematisch dem Zweiten Weltkrieg in Luxemburg widmet und noch bis einschließlich morgen Sonntag zu bewundern ist. Hierbei schilderte der 88-jährige Jos Steichen in bewegenden Worten seine Erinnerungen an den Generalstreik, seine Verhaftung und Einziehung in die Wehrmacht sowie die spätere Zeit im sowjetischen Gefangenenlager Tambow.

Neue Dimensionen des Friedens in globalisierter Welt

Begonnen hatte die Gedenkzeremonie am Morgen zunächst mit einem feierlichen, von der „Chorale municipale de Wiltz“ umrahmten Gottesdienst, bei dem Regionaldechant Martin Molitor zum Umdenken in der Krise, die vor allem auch eine gesellschaftliche Krise sei, aufgerufen hatte. In einer globalisierten Welt habe unser Wirtschaften und Konsumieren heute Auswirkungen auf die Menschen, das Klima und die Frage von Krieg oder Frieden in allen Teilen der Welt. Wer Frieden schaffen und erhalten wolle, müsse in seinem Handeln daher auch allerorten für Gerechtigkeit einstehen, so Dechant Molitor.