Am Silvesterabend fand unter dem Vorsitz von Erzbischof Mgr. Fernand Franck die traditionelle Friedensmesse von „Pax Christi Luxemburg“ in der Kathedrale von Luxemburg statt. Im Mittelpunkt der Eucharistiefeier standen, neben der Botschaft von Papst Benedikt XVI. zum Weltfriedenstag, die Sorge der Kirche um die Opfer sexueller und physischer Gewalt im kirchlichen Umfeld und die bereits mehrfach den Opfern gegenüber ausgesprochene Vergebungsbitte, die der Erzbischof in liturgischer Form im Anschluss an seine Predigt aufgriff und zusammen mit Generalvikar Mathias Schiltz und Dompfarrer Henri Hamus in einem Buß- und Fürbittgebet vor Gott brachte.
Seit 1967 – nunmehr 44 Jahre – feiert die Weltkirche am ersten Tag des Jahres den Weltfriedenstag. Zum 1. Januar 2011 hat Papst Benedikt XVI. seine Botschaft an alle Christen und darüber hinaus an alle Menschen guten Willens unter das Thema „Religiöse Freiheit, der Weg zum Frieden“ gestellt. Somit wird jeder Mensch gleich zu Beginn eines Jahres an seine persönliche Verantwortung für den Frieden erinnert.
Zusammen mit Gott und unter den Blicken von Maria, der Königin des Friedens, den letzten Tag des Jahres begehen. Mit Dankbarkeit auf die zurückliegenden zwölf Monate schauen und den Allmächtigen um Verzeihung für die eigene Nachlässigkeit bitten. Gemeinsam für Einheit und Frieden in der Welt eintreten. Dies waren wieder einmal die zentralen Gedanken des traditionellen Silvester-Gottesdienstes, zu dem sich zahlreiche Gläubige am Freitag, dem letzten Tag des ausklingenden Jahres 2010, in der Kathedrale Unserer Lieben Frau von Luxemburg eingefunden hatten.
Zu Beginn der erhabenen Feier lud Erzbischof Mgr. Fernand Franck die Versammelten ein, in einem Moment von Stille und Besinnung dem einen treuen Gott, der uns durch das verflossene Jahr begleitet hat, für seine Hilfe und Gnade zu danken, ihn um Verzeihung zu bitten für den Mangel an Barmherzigkeit, den wir unseren Mitmenschen entgegengebracht haben, und uns vom Licht des Friedens, das vom Kind in der Krippe von Bethlehem ausgeht, umhüllen zu lassen.
Nach den biblischen Lesungen in englischer und französischer Sprache trug Diakon Michel Michaely die Perikope vom Zeugnis des Simeon und der Hanna über Jesus aus dem Lukas-Evangelium (LK 2,21-40) auf Deutsch vor.
In seiner Predigt ging Erzbischof Mgr. Fernand Franck auf zwei Formen von Christenverfolgung ein, die der Papst in seiner Botschaft hervorhebt: die gewaltsame und die verschleierte Verfolgung. Zum jetzigen Zeitpunkt seien die Christen die religiöse Gruppe, die weltweit wegen ihres Glaubens am meisten verfolgt würde. Auch in Europa wachse die Intoleranz gegenüber der christlichen Gemeinschaft, und mit solchen Tendenzen werde man auch in Luxemburg immer wieder konfrontiert. Dabei sei religiöse Freiheit, wie Benedikt XVI. unterstreicht, ein Recht, „(qui) s'enracine dans la dignité-même de la personne humaine“.
„Och mir kënnen e konkrete Schrëtt a Richtung Fridde goen, wa mir de Matmënsch, all Matmënsch, unhuelen, esou wéi den Herrgott äis duerch säi Mënschginn am Kand an der Krëpp ugeholl huet. Grad d'Chrëschtzäit ass eng privilégiéiert Zäit dofir. Am Kand an der Krëpp huet den Herrgott äis an all Mënsch ugeholl“, fügte der Erzbischof hinzu.
Alsdann kam Mgr. Franck auf die Fälle sexueller und physischer Übergriffe auf Minderjährige in der Kirche und ihrem Umfeld zu sprechen, die einen großen Schatten auf das Jahr 2010 geworfen hätten, und sagte: „Mir sinn erféiert a skandaliséiert iwwer dat, wat do un d'Dagesliicht komm ass. (...) An all Eenzelfall geet et ëm e Matmënsch, deen a senger Dignitéit getraff gouf an deem säi Vertraue schänterlech mëssbraucht ginn ass, esou datt hien jorelaang dorënner séilesch an, jee nodeem, och physesch schwéier gelidden huet. Dësen Affer gëllt weiderhin eis Suerg.“ In diesem Zusammenhang kündigte Mgr. Franck an, allen Opfern in den kommenden Wochen mittels schriftlicher Einladung ein persönliches Gespräch anzubieten. Im Sinne der Prävention wolle er ebenfalls in den ersten Januartagen eine ständige Beauftragte des Erzbistums für Opfer sexualisierter Gewalt im kirchlichen Umfeld ernennen.
Im Anschluss an die Predigt des Erzbischofs trat dieser zusammen mit Generalvikar Mathias Schiltz und Dompfarrer Henri Hamus, alle drei zum Altar gewandt, vor Gott. Unter den Augen der Trösterin der Betrübten und der Anteilnahme der zum Silvestergottesdienst versammelten Gläubigen lasen sie eine fünfteilige Vergebungsbitte vor. In „diesem wichtigen Schritt unserer Kirche“, wie es in einer Mitteilung des erzbischöflichen Ordinariats geschrieben steht, heißt es u. a.: „Herrgott, Du gesäis d'Leiden vun dengem Vollek, du kenns säi Schmäerz (Ex 3,7) – Du bass bei all gebrachenem Häerz, Du riichts déi op, déi am Geescht an am Häerz gebrach sinn (Ps 34,19). Voller Entsetzen a Schimmt sti mir virun deem Mier vu Leed a Schmäerz, dat Mannerjähregen duerch sexuelle Mëssbrauch, Gewalt a Mangel u Suergfalt am kierchlechen Ëmfeld duerch Priester, Uerdensleit a Laien zougefügt gouf. Virun Dir biede mir jidder eenzel Affer vu Mëssbrauch ëm Verzeiung – a mir bieden Dech, Gott vun der Léift a vum Erbaarmen, ëm Rengegung a Kraaft, fir datt den Affer duerch äis oder duerch eis Hëllef ka gehollef ginn an hirem séileschen an dacks och physesche Leed.“
Nach der Eucharistiefeier, der Mgr. Fernand Franck vorstand, umgeben von seinen geistlichen Mitbrüdern, Generalvikar Mathias Schiltz, Dompfarrer Henri Hamus, Ehrendomherr Georges Vuillermoz, den Domherren Georges Hellinghausen, Joseph Néro und Raymond Streweler, Bischofsvikar Erny Gillen, Ehrendechant Ferdy Fischer, Abbé Delfim Pires, Aumônier der portugiesischen Mission, Abbé Bart Coenegrachts aus dem Bistum Hasselt (B), Abbé Nico Schartz, geistlicher Begleiter der Pax-Christi-Bewegung, der die Volksgesänge leitete, sowie Diakon Michel Michaely, derweil Domorganist Paul Breisch an der klassischen Orgel der Kathedrale fungierte, bedankte sich der Erzbischof bei der Pax-Christi-Bewegung für ihren unermüdlichen Einsatz für den Frieden das ganze Jahr über.
Zum Abschluss der Friedensmesse 2010 las Abbé Nico Schartz einen Text von Chiara Lubich vor, in dem es u. a. heißt: „Wenn wir uns mit neuer Entschlossenheit für das öffnen, was Gott im Augenblick von uns will, können wir ihm einen Weg bereiten. Es gibt einen Weg, der sicher und schnurstracks zum Ziel führt, zu Gott: der Weg zum Bruder, zur Schwester, die Liebe zu den Menschen.“
Alsdann ließ die versammelte Kirchengemeinde den Silvester-Gottesdienst mit dem Loblied „Großer Gott, wir loben dich“ ausklingen.
von Jean-Paul Schneider