„Wäre ich eine Woche später geboren, ... “


Vom Leidensweg eines zwangsrekrutierten Luxemburgers in der Wehrmacht


Marcel Goniva, geboren am 25. Dezember 1926: eine Woche später und seine Tragödie wäre vermieden worden. Als Gauleiter Gustav Simon am 30. August 1942 die obligatorische Wehrpflicht für die luxemburgischen „Jongen“ der Jahrgänge 1920-1924 ausrief, war Marcel Goniva 16 Jahre alt.


Der junge Luxemburger wurde zu einem späteren Zeitpunkt in die Wehrmacht eingezogen und somit war auch sein Schicksal im Juli 1944 besiegelt. Im eigentlich harmlos klingenden Reichsarbeitsdienst wurde Goniva zunächst zusammen mit einigen Kameraden nach Polen versetzt. Seine Reise führte ihn von Polen aus nach Frankfurt, Dänemark und später wieder nach Polen an die russische Front, nahe Kolberg, wo er die Hölle durchlebte. Sein „Glück“ war es, in der hoffnungslosen Schlacht von Berlin im Jahr 1945 von einem Granatsplitter in den Rücken getroffen zu werden. Diese Verletzung rettete ihm das Leben: Mit dem allerletzten Lazarettzug entkommt er dem Schlachtfeld und gerät schließlich in britische Kriegsgefangenschaft. Als ein Offizier sein rot-weiß-blaues Stoffband, welches er den ganzen Krieg bei sich trug, erkannte, wurden er und drei weitere Leidensgenossen entlassen: „I know what happened to the Luxembourgers ... You may leave this camp as free men“. Nach einer Odyssee durch Europa gelangte er schließlich über Paris zurück nach Luxemburg.


Doch bereits einen Monat später kam die Nachricht einer neuen Wehrpflicht: Der Dienst für das Heimatland rief ihn prompt in die Kaserne der luxemburgischen Armee nach Bitburg. Nach einer wortwörtlichen „verlorenen Jugend“ entschloss Goniva, die luxemburgische Uniform weiter zu tragen und diente bis zu seiner Rente der luxemburgischen Armee.


Seitdem gibt Marcel Goniva seine Erlebnisse an die nachfolgenden Generationen weiter, so auch am 6. August 2021, als er eine Gruppe junger Historikerinnen und Historiker im Musée National d’Histoire Militaire in Diekirch besuchte. „Wisst ihr, warum ich dies tue? ... Weil so viele andere junge Männer nicht das gleiche Glück hatten, zurückzukehren; für jene, welche ihre Geschichte nie erzählen konnten“.


Marcel Goniva, einer der interessantesten und höchstwahrscheinlich einer der letzten Zeitzeugen Luxemburgs, feiert dieses Jahr an Weihnachten seinen 95. Geburtstag.