Welchen Stellenwert genießen die Zwangsrekrutierten und ihr Kriegsschicksal 70 Jahre nach der ungeheuerlichen Proklamation durch Gauleiter Gustav Simon in der kollektiven Erinnerung der Luxemburger Gesellschaft und in welchem Licht erscheinen sie aus heutiger Sicht der historischen Forschung? Diese zentralen Fragen standen im Mittelpunkt des 51. Nationalkongresses der „Fédération des enrôlés de force – Victimes du nazisme“ (Fedef), der am Wochenende auf Einladung der Sektion Boegen-Hoffelt in Wintger tagte.
Bedeutende Fragen für eine immer älter werdende Generation von Zeitzeugen. Fragen, die am Samstag aber auch durchaus kontrovers diskutiert und aus verschiedenen Blickwinkeln beleuchtet wurden. Selbst 70 Jahre nach der Verkündung der Zwangsrekrutierung hätten die „Enrôlés de force“ in Gesellschaft und Geschichtsschreibung immer noch nicht jene Würdigung erfahren, die ihnen eigentlich zustehe, meinte etwa Fedef-Nationalpräsident Erny Lamborelle, der von dieser Prämisse augehend zu einem Paradigmenwechsel in Luxemburg aufrief.
Die Doktrinen der älteren Geschichtsschreibung zurücklassend, müssten die Zwangsrekrutierten endlich aus der reinen Rolle der „Opfer zweiter Klasse“ herausgeholt und auch als Akteure des Widerstands gesehen werden. Solche seien sie nämlich laut heutiger Definition des Begriffs „Resistenz“ gewesen, gehörten demnach doch auch „individuelle Akte der Verweigerung zum Schutz der eigenen Person und des eigenen Umfelds“ zu den Handlungen des Widerstands dazu, so Erny Lamborelle, der sich dabei auf den Historiker Jacques Maas bezog.
„Zwangsrekrutierte als Akteure des Widerstands“
Darüber hinaus seien von den Zwangsrekrutierten aber auch zahlreiche aktive Widerstandsakte ausgegangen, etwa durch die Tätigkeit in den Widerstandszellen der Luxemburger Lyzeen in den ersten Kriegsjahren, durch massenhafte, kleinere Sabotageakte oder gar durch große Aktionen, wie die Ausspionierung der V1- und V2-Raketenpläne der Nazis in Peenemünde. All dies lasse nicht zu, dass die Verdienste der Zwangsrekrutierten bis heute in Frage gestellt seien, so Lamborelle, der auch die Politik aufforderte, Farbe zu bekennen und die „Journée commémorative“ endlich um den würdigenden Titel „nationale“ zu ergänzen.
Als Leiter des „Centre de documentation et de recherche sur l'enrôlement forcé“ rief der Historiker Steve Kayser dagegen zu einer etwas nuancierteren Sichtweise auf. Den Historiker interessiere, neben den Fakten und den historischen Quellen, natürlich auch das Gedenken an und die Geschichtsschreibung über jene Geschehnisse, dies jedoch nur durch Einordnung der dergleichen in den jeweiligen zeitlichen Kontext, nicht aber durch voreingenommene Parteiergreifung für die ein oder andere Sichtweise.
Demgemäß sei es auch alles andere als hilfreich, wenn den Historikern immer wieder aufgrund einzelner Interessen von verschiedenen Seiten in ihre Forschungsprojekte hineingeredet werde. Davon abgesehen, habe die Luxemburger Historiografie die Herangehensweisen der älteren Geschichtsschreibung aber längst überwunden und die Zwangsrekrutierung, dank neuer Fragestellungen und nicht zuletzt dank des Dokumentationszentrums beim „Mémorial de la Déportation“ in Hollerich bis heute bereits in vielen Publikationen unter neuen Gesichtspunkten beleuchtet.
Hommage an Jos Weyrich und seine Verdienste
Auch der Präsident des „Fondation du Mémorial de la Déportation“, Guy De Muyser, hob die Rolle des Dokumentationszentrums hervor und rief zur Offenheit für divergierende Perspektiven auf die Geschehnisse des Zweiten Weltkriegs auf. De Muyser erinnerte aber auch an die Verdienste des ehemaligen „Enrôlés de force“-Präsidenten Jos Weyrich, der am Anfang des Kampfs für die Erinnerungsstätte in Hollerich und auch der Anerkennung der Zwangsrekrutierten als „Victimes du nazisme“ gestanden habe.
Die Erinnerung an den gemeinsamen Einsatz für die Würdigung der Zwangsrekrutierten stand auch im Mittelpunkt der Ausführungen von Marie-Anne Thommes, Präsidentin des „Comité directeur pour le souvenir de l'enrôlement forcé“, die auch dazu aufrief, sich möglichst rasch Gedanken um künftige Formen der Zwangsrekrutiertenbeteiligung an der Oktave zu machen. Die Verehrung der Trösterin der Betrübten und die Oktavmesse gehörten schließlich seit jeher zu den großen Herzensanliegen der Luxemburger Zwangsrekrutierten.(VON JOHN LAMBERTY)
Bedeutende Fragen für eine immer älter werdende Generation von Zeitzeugen. Fragen, die am Samstag aber auch durchaus kontrovers diskutiert und aus verschiedenen Blickwinkeln beleuchtet wurden. Selbst 70 Jahre nach der Verkündung der Zwangsrekrutierung hätten die „Enrôlés de force“ in Gesellschaft und Geschichtsschreibung immer noch nicht jene Würdigung erfahren, die ihnen eigentlich zustehe, meinte etwa Fedef-Nationalpräsident Erny Lamborelle, der von dieser Prämisse augehend zu einem Paradigmenwechsel in Luxemburg aufrief.
Die Doktrinen der älteren Geschichtsschreibung zurücklassend, müssten die Zwangsrekrutierten endlich aus der reinen Rolle der „Opfer zweiter Klasse“ herausgeholt und auch als Akteure des Widerstands gesehen werden. Solche seien sie nämlich laut heutiger Definition des Begriffs „Resistenz“ gewesen, gehörten demnach doch auch „individuelle Akte der Verweigerung zum Schutz der eigenen Person und des eigenen Umfelds“ zu den Handlungen des Widerstands dazu, so Erny Lamborelle, der sich dabei auf den Historiker Jacques Maas bezog.
„Zwangsrekrutierte als Akteure des Widerstands“
Darüber hinaus seien von den Zwangsrekrutierten aber auch zahlreiche aktive Widerstandsakte ausgegangen, etwa durch die Tätigkeit in den Widerstandszellen der Luxemburger Lyzeen in den ersten Kriegsjahren, durch massenhafte, kleinere Sabotageakte oder gar durch große Aktionen, wie die Ausspionierung der V1- und V2-Raketenpläne der Nazis in Peenemünde. All dies lasse nicht zu, dass die Verdienste der Zwangsrekrutierten bis heute in Frage gestellt seien, so Lamborelle, der auch die Politik aufforderte, Farbe zu bekennen und die „Journée commémorative“ endlich um den würdigenden Titel „nationale“ zu ergänzen.
Als Leiter des „Centre de documentation et de recherche sur l'enrôlement forcé“ rief der Historiker Steve Kayser dagegen zu einer etwas nuancierteren Sichtweise auf. Den Historiker interessiere, neben den Fakten und den historischen Quellen, natürlich auch das Gedenken an und die Geschichtsschreibung über jene Geschehnisse, dies jedoch nur durch Einordnung der dergleichen in den jeweiligen zeitlichen Kontext, nicht aber durch voreingenommene Parteiergreifung für die ein oder andere Sichtweise.
Demgemäß sei es auch alles andere als hilfreich, wenn den Historikern immer wieder aufgrund einzelner Interessen von verschiedenen Seiten in ihre Forschungsprojekte hineingeredet werde. Davon abgesehen, habe die Luxemburger Historiografie die Herangehensweisen der älteren Geschichtsschreibung aber längst überwunden und die Zwangsrekrutierung, dank neuer Fragestellungen und nicht zuletzt dank des Dokumentationszentrums beim „Mémorial de la Déportation“ in Hollerich bis heute bereits in vielen Publikationen unter neuen Gesichtspunkten beleuchtet.
Hommage an Jos Weyrich und seine Verdienste
Auch der Präsident des „Fondation du Mémorial de la Déportation“, Guy De Muyser, hob die Rolle des Dokumentationszentrums hervor und rief zur Offenheit für divergierende Perspektiven auf die Geschehnisse des Zweiten Weltkriegs auf. De Muyser erinnerte aber auch an die Verdienste des ehemaligen „Enrôlés de force“-Präsidenten Jos Weyrich, der am Anfang des Kampfs für die Erinnerungsstätte in Hollerich und auch der Anerkennung der Zwangsrekrutierten als „Victimes du nazisme“ gestanden habe.
Die Erinnerung an den gemeinsamen Einsatz für die Würdigung der Zwangsrekrutierten stand auch im Mittelpunkt der Ausführungen von Marie-Anne Thommes, Präsidentin des „Comité directeur pour le souvenir de l'enrôlement forcé“, die auch dazu aufrief, sich möglichst rasch Gedanken um künftige Formen der Zwangsrekrutiertenbeteiligung an der Oktave zu machen. Die Verehrung der Trösterin der Betrübten und die Oktavmesse gehörten schließlich seit jeher zu den großen Herzensanliegen der Luxemburger Zwangsrekrutierten.(VON JOHN LAMBERTY)