Besinnliches mit Hana Blazíková und der „Schola Gregoriana Pragensis“

Von André Link

Abseits des Fußball- und anderen lärmenden Getümmels vollzog sich am 1. Juli in der Echternacher Basilika etwas, was man die Zelebration der Stille nennen möchte: Hana Bláziková und die Schola Gregoriana Pragensis boten geistliche und weltliche, in jedem Fall aber besinnliche Gesänge aus dem 14. Jahrhundert.

Aus der Apsis des Gotteshauses rief ein Vorsänger die „Plebs Domini“ zum Jubelgesang. Diesem unwiderstehlichen Geheiß folgend, durchschritten, vom Kreuzgang kommend, acht Männer in weißen Roben in feierlich-mönchischer Prozession das Kirchenschiff und fanden sich dann im Chor zum Hymnus „Ave maris stella“ zusammen.

Ehrfüchtig, monodisch und streng isorhythmisch fluteten die Klänge durch die Basilika. Hier verzauberte nicht so sehr die Schönheit des Timbres, sondern die Einheitlichkeit des Gesangs, der, unter Meidung jeglicher Extreme auch in den Registern (es gab weder sehr hohe noch sehr tiefe Stimmen), in erster Linie tröstlich besänftigende Homogeneität anzustreben schien.

Aus dem französischen Repertoire des 14. Jahrhunderts – Vokalkompositionen, die der frankophile Böhmenkönig und deutsche Kaiser Karl IV. in Paris gehört haben mochte – waren eine wunderschöne Mariensequenz und das nicht weniger berührende „Alleluia Virga Jesse floruit“ zu hören, wobei Letzteres nicht wenig an die „Cantigas de Maria“ des Königs Alfonso von Kastilien erinnerte.

In „Mariam matrem virginem“ war erstmals Hana Bláziková zu hören, die sich auf der gotischen Harfe begleitete. Zum undefinierbaren Reiz der Darbietung sollte ihr – sparsam eingesetzter und ebenso maßvoll psalmodierender – obertonreicher Sopran wesentlich beitragen.

Das Programm war mehrheitlich den Klängen gewidmet, denen die böhmischen Herrscher des Hauses Luxemburg an ihrem Hofe und im Prager Veitsdom gelauscht haben mochten.

Musik

der böhmischen Herrscher
Sicherlich fand auch Karl IV. Gefallen an den Tonschöpfungen von Guillaume de Machaut, der seinem Vater Johann dem Blinden als Sekretär gedient hatte. Bereits ein Gloria aus der Feder des musischen Reimser Kanonikers hatte gezeigt, wie weit sich Machaut mit einem Anflug von Polyphonie und seinen langgezogenen, ausdrucksstarken Silben bereits von der Gregorianik entfernt hatte. Der leicht manieristische Ton wurde dadurch gewahrt, dass der Cantus von einem Tenor über dem suggestiv vibrierenden Fauxbourdon zwei tieferer Stimmen geführt wurde. Auch die dem profanen Bereich zugehörigen Virelays, Balladen und Motetten von Machaut muten uns Heutige in ihrem monolithisch ebenmäßigem Strophenaufbau seltsam entrückt und schier unirdisch an. Den Pulsschlag der Stille versetzten das zweistimmig gesetzte „Riches d’amour“ sowie das dreistimmige „Dame je sui cilz qui vueil“, an dem sich die Sopranistin beteiligte, in einen doch etwas lebhafteren, obwohl noch immer sehr gleichmäßigen Rhythmus.

Unaufdringlichen Humor ließ „Prima declinatio“ erkennen, wo sich mittelalterliche Studenten über die Rätsel der lateinischen Sprache den Kopf zerbrechen. Weitere Verse des 14. Jahrhunderts – „Nu siht man aber beide“, „Die Bäume kleiden sich in Blätter“ sowie der Myrrhenstrauß, den Hana Blazíková mit rührender Zärtlichkeit besang – wurden wiederum gehalten, nachdenklich und beinahe asketisch vorgetragen.

Der dritte Teil des Konzerts machte die (wenigen) Zuhörer mit der Musik aus den böhmischen Ländern unter Karl IV. bekannt. Der Bogen spannte sich von Gesängen zu Ehren böhmischer Kirchenpatrone bis zur hymnischen Verklärung der Jungfrau Maria wie etwa die in zarte Ars-nova-Aureolen gegossene Ausmalung von „Quae est ista“ oder „Nigra sum sed formosa.“. Strahlender Abschluss dieses ebenso innigen wie beglückenden Vokalabends war die dreistimmige Zelebrierung der später unter den Hussiten legendär gewordenen Motette „Christus surrexit“. (Foto: Willy de Jong)