Das Kinderheim „Foyer Ste-Elisabeth“ in Esch/Alzette feiert 2010 sein 75-jähriges Bestehen. 1934 wurde es gegenüber der Kirche St-Henri in der Rue des Franciscains als Kinderkrippe für bedürftige Arbeiterfamilien eröffnet. Heute besteht das „Foyer“ der „elisabeth-Kannerwierker“ aus Gebäuden, in denen unter Jugendschutz stehende Kinder und Jugendliche leben.
Im Gegensatz zu einer immer noch weit verbreiteten Meinung, leben heute in Kinderheimen wie dem „Foyer Ste-Elisabeth“ keine Waisenkinder mehr, sondern Kinder und Jugendliche, die vom Jugendgericht oder der Staatsanwaltschaft unter Jugendschutz gestellt wurden und zu ihrem eigenen Wohl, zeitweilig oder auch für länger, aus ihren Familien genommen wurden.
Mehr als 50 Kinder und Jugendliche, vom Säugling bis zum jungen Erwachsenen, werden in der Regel im „Foyer Ste-Elisabeth“ betreut. Auch wenn sich die Schwestern der Kongregation der hl. Elisabeth seit mittlerweile zwölf Jahren aus der Leitung des Heims zurückgezogen haben, fühlen sich die Verantwortlichen ihrer christlichen Einstellung nach wie vor verpflichtet: Nämlich jenen beizustehen, die in der Gesellschaft niemanden haben und dort keinen Rückhalt finden. Das Foyer Ste-Elisabeth hat eine bewegte Geschichte hinter sich. Die Wirtschaftskrise der Jahre 1930-1932 veranlasste die Franziskanerpatres der Escher Pfarrei St-Henri, die Schwestern der Kongregation der hl. Elisabeth zu bitten, eine Kinderkrippe für Arbeiterfamilien in Not zu eröffnen. Im Mai 1933 wurde mit dem Bau des heutigen Haupthauses in der Franziskanerstraße begonnen, am 29. September 1934 wurde es eingeweiht. Ursprünglich als Tagesstätte für Kinder geplant, deren Mütter arbeiteten oder krank waren, musste die Einrichtung bald auch über Nacht Kinder aufnehmen, die im Stich gelassen wurden.
Die Kleinen wurden bei den Schwestern untergebracht, blieben aber im kommunalen Schulsystem integriert. Das damalige St.-Elisabeth-Heim bot auch jungen Mädchen einen Ort, wo sie sich treffen und ihre Freizeit verbringen konnten. Das Haus auf Nummer 18 in der Franziskanergasse beherbergte drei Gruppen von jeweils bis zu 25 Kindern: eine Säuglingsgruppe, eine Vorschulkinder- und Schulkindergruppe. Beim Erreichen des 15. Lebensjahres wurden die Jugendlichen in anderen Einrichtungen untergebracht. Im Laufe der Jahre hat die Entwicklung in sozio-edukativer Hinsicht die Struktur im Heim verändert. Die Dezentralisierung der Lebensgruppen und die Verlängerung des Heimaufenthaltes – heute werden die Jugendlichen bis zum jungen Erwachsenenalter von 27 Jahren betreut – führte zum Kauf des Hauses auf Nummer 5 in der Rue St-Henri im Jahr 1969. Hier waren heranwachsende Jungen untergebracht, die aus anderen Heimgruppen kamen. Ab 1976 – nach dem Kauf und der Renovierung der Häuser 20-26 in der Rue des Franciscains – wurden in diesen Immobilien zwei weitere Gruppen à je zehn Kinder untergebracht.
Da die laufenden Kosten für das Heim die Mittel der Schwestern-Kongregation über- schritten, wurde 1979 eine erste Konvention mit dem Familienministerium unter- schrieben. Mit Hilfe der staatlichen Zuschüsse und privater Spenden konnten wesentliche Veränderungen, u. a. eine Renovierung der „Pouponnière“ und der Schlafzimmer durchgeführt werden. 1982 übernahm die „Elisabeth Asbl“ die Leitung des Foyers.
1998 zogen sich die Elisabetherinnen zurück und gaben die Leitung des Heims in Laienhände, sie blieben aber im Besitz der Immobilien. Im Januar 2002 wurde im Rahmen einer Umstrukturierung aller Werke der „Congrégation des Soeurs de Sainte-Elisabeth“ (CSSE) die „Elisabeth Asbl“ in „Anne Asbl“ umbenannt. Seit vergangenem November nennt sich die CSSE ganz einfach „elisabeth“, das Escher Kinderheim ist seither Teil der „elisabeth Kannerwierker“.
Bis 2008 war das „Foyer Ste-Elisabeth“ die einzige Einrichtung, die unter Jugendschutz gestellte Babys aufnehmen konnte. Weitere Lebensgruppen gibt es heute für Drei- bis Siebenjährige, Sechs- bis Zwölfjährige und Zwölf- bis 18-Jährige. Ebenfalls dem Foyer zugehörig ist eine Erwachsenengruppe für 18- bis 27-Jährige. Diese Gruppe sei aus der Erkenntnis heraus entstanden, dass junge Menschen nicht unbedingt durch das Erreichen der Volljährigkeit die Reife haben, sich allein im Leben zu behaupten, heißt es von den Verantwortlichen. Auch der Start in die Selbstständigkeit ist für viele Heimkinder schwieriger, weil es ihnen an Kontakten und finanzieller Unterstützung fehlt. Diese Gruppe steht aber beispielsweise auch Jugendlichen mit Migrationshintergrund offen, die sich aus ihren patriarchalischen Familienstrukturen lösen wollen. Die Mitarbeiter im Foyer haben die meiste Zeit mit traumatisierten Kindern zu tun, die aus ganz unter- schiedlichen Ursachen unter die Vormundschaft des Heims gestellt werden. Das geht von an Alkohol- oder Drogensucht leidenden Eltern über Gefängnisaufenthalte der Erziehungsberechtigten bis hin zu Gewalteinwirkung und Vernachlässigung. Wie lange ein Kind im Heim bleibt, entscheidet das Gericht. (NaRo)