Masterplan zur Neugestaltung der „Lentille Terre Rouge“

Im Rahmen der Generalversammlung des Escher Fußballvereins Jeunesse waren im Juli 2008 Pläne eines Privatpromotors vorgelegt worden, die die Rekonversion der Industriebrache „Lentille Terre Rouge“ vorsahen. Die Rede war damals wohl von einem neuen Stadion für die beiden Escher Fußballvereine, aber auch von der ambitiösen Idee eines ganz neuen Stadtviertels, das zudem eine Verbindung zwischen dem gewachsenen Esch und Belval schaffen könnte.

In der Gemeinderatssitzung vom vergangenen Freitag hatte Rat Aly Jaerling das Thema auf die Tagesordnung setzen lassen. Er habe aus Kreisen der Stadtentwicklungskommission erfahren, dass ein endgültiger Masterplan für die Rekonversion der Brache vorliege, meinte Aly Jaerling und wollte vom Schöffenrat wissen, was es damit auf sich habe.

Bürgermeisterin Lydia Mutsch erklärte, dass ihrer Kenntnis nach, der „Plan directeur“ immer noch lediglich ein Arbeitsdokument sei und sich das Projekt des Privatpromotors noch nicht weiter konkretisiert habe. Sie unterstrich aber auch, dass das Gelände wegen seiner strategischen Lage im Herzen der Stadt von großer Wichtigkeit für die weitere Entwicklung von Esch/Alzette sei und man deshalb sehr an einer Rekonversion der Brache interessiert sei. „Die Dinge selbst in die Hand nehmen, können wir aber nicht, weil nicht die Stadt Esch, sondern ArcelorMittal Eigentümer des Geländes ist“, so Lydia Mutsch.

Historischer Industriestandort

Bei dem als „Lentille Terre Rouge“ bekannten Areal handelt es sich um den ersten Industriestandort des Landes, der demnach auch von historischem Wert für Esch/Alzette ist. Die Pläne eines privaten Investors, die 2008 vorgestellt wurden, sahen ein Fußballstadion mit 2 800 Zuschauerplätzen, einen großen Parking, ein nationales Gymnastikzentrum, eine Infrastruktur für den Fechtsport, sowie Wohnraum für bis zu 900 neue Bürger sowie Geschäftsflächen vor. Eingeplant waren auch die Restaurierung und Neunutzung von drei alten Industriegebäuden. „Würde all dies verwirklicht, wären wir als Stadt Esch auch an einer Grundschule und eine Maison relais in diesem neuen Stadtteil interessiert. Das würde auch die bestehenden Schulen rund um das Viertel ,Hiehl‘ entlasten, die an ihre Kapazitätsgrenzen stoßen“, meinte die Bürgermeisterin. Die Stadtverantwortlichen haben dem Privatpromotor bereits ihr Interesse an den Schuleinrichtungen signalisiert, die nach dem Modell eines „Private-Public-Partnership“ (PPP) entstehen könnten. Die Überlegungen über Zufahrt und Anbindung des neuen Viertels, sowie über ein Mobilitätskonzept seien ebenfalls noch nicht ausgereift, so die Bürgermeisterin. Eine gute Voraussetzung ist jedoch, dass das CFL-Schienennetz ohnehin durch das Viertel „Hiehl“ führt.

Seit den 1980er-Jahren gab es bereits mehrere Pläne für die „Lentille“ und den „Crassier Terre Rouge“, die aber immer wieder scheiterten und das obwohl das zehn Hektar große Areal auch vom Staat im Rahmen der Rekonversionsdebatte der alten Industriebrachen in den 1990er-Jahren als vorrangiger Entwicklungspol eingestuft wurde. Im April 1996 beschlossen Regierung und Arbed die Gründung einer gemeinsamen Struktur, um die alten Industriebrachen des Stahlkonzerns im Süden des Landes – insgesamt 650 Hektar – einem neuen Nutzungszweck zuzuführen. So entstand das „Groupement d'intérêt économique pour l'étude de la reconversion des sites sidérurgiques“ (GIE-ERSID). Dieses Konsortium definierte vier Standorte als prioritär: Belval, Ehleringen, Rodange und eben „Lentille Terre Rouge“. Im August 2001 wurde per Gesetz die Entwicklungsgesellschaft Agora, gegründet, in der Staat und die damalige Arbed, heute ArcelorMittal, zu je 50 Prozent vertreten sind und die vor allem mit Belval in Verbindung gebracht wird. Die Agora ist im Prinzip aber auch zuständig für die Rekonversion der anderen oben genannten Brachen.

Zu Beginn war die Rede davon, eine Aktivitätszone auf „Lentille Terre Rouge“ anzusiedeln, dann wurde das Gelände nacheinander als Standort für die Rockhal und später für den Neubau des „Lycée Hubert Clement“ gehandelt. Als all diese Vorhaben schließlich nicht verwirklicht wurden, sei es die Gemeinde gewesen, die bei Agora und Arcelor dafür eingetreten sei, dass Agora sich zurückziehen sollte, damit das Projekt eines privaten Investors überhaupt eine Chance auf Verwirklichung habe, so Lydia Mutsch.

Ein Problem, das sich in diesem Zusammenhang stellt, ist die Sanierung des Erdreichs der „Lentille“, das wie die meisten ehemaligen Industriestandorte verseucht ist. Auch wenn der Grad der Kontamination im Fall der „Lentille“ sehr viel geringer ist, als in Belval. Im Gegensatz zu Belval, das von einer Ausnahmeregelung profitiert, spielt hier aber das gesetzlich festgehaltene Prinzip des „pollueur-payeur“, was heißt, dass ArcelorMittal verpflichtet ist, das Areal wieder in seinen ursprünglichen Zustand zurückzubringen, sprich die Kosten für die Dekontamination allein zu tragen und nicht wie im Fall von Belval einen Teil der Kosten auf den Staat abwälzen kann.

Im neuen Flächennutzungsplan (PAG) der Gemeinde soll das „Lentille“-Areal Berücksichtigung finden, wodurch Stadt Esch sich auch mehr Gestaltungs-Mitspracherecht zusichern kann. Eine erste Studie über den PAG soll noch vor dem Sommer präsentiert werden, meinte Lydia Mutsch.

Keine Miniaturausgabe von Belval

Im Laufe der anschließenden Diskussion wies Frunnes Maroldt (CSV) darauf hin, dass es im Hinblick auf die weitere Entwicklung des Projektes wichtig sei, erst einmal eine Richtung festzulegen. Er warnte davor, eine Miniaturausgabe von Belval auf der „Lentille“ entstehen zu lassen. Auch wies er darauf hin, dass im Gegensatz zu Belval das Areal „Lentille“ zu 100 Prozent auf Escher Territorium liege und daraus Nutzen gezogen werden müsse. „Bis dato war das Viertel ,Hiehl‘ immer vom Rest der Stadt abgeschnitten. Jetzt eröffnet sich die Perspektive, das zu ändern“, so der CSV-Sprecher.

Durch seine Lage im Herzen der Stadt könnten mit der Erschließung der „Lentille“ das gewachsene Esch und Belval näher zusammenrücken. Auch für das geplante Zukunftsviertel Eco-Cité auf der französischen Seite von Belval könnten „Lentille“ und „Crassier“ eine wichtige Rolle spielen. Dan Codello (LSAP) betonte nachdrücklich, dass die Planungen für die Rekonversion nicht an der Bevölkerung vorbei geführt werden dürften.

Diese Meinung teilte auch Bürgermeisterin Lydia Mutsch, die erklärte, die Einwohner würden, was Konzeption und Realisierung anbelangt, auf jeden Fall mit ins Boot genommen werden. (nat)