6. Mamer Geschichtsdag

6. Mamer Geschichtstag
„Natur, Umwelt, Oekologie“ & „Mamer im 2. Weltkrieg“

Die Mamer Geschicht asbl organisierte am 9. Oktober 2016 seinen 6. Geschichtstag im „CIPA Mamer“ und beschäftigte sich dabei mit zwei Themen: einerseits „Natur, Umwelt, Ökologie - gestern und heute“, andererseits „Mamer im 2. Weltkrieg“, wobei sowohl das Jahr 1941 als auch die Verwaltung von Kriegsbeginn bis zur „Personenstandsaufnahme“ vom 10. Oktober 1941 behandelt wurden. Die Ausstellung konnte am 7., 8. und 9. Oktober zwischen 10 und 18 Uhr besichtigt werden.

Beim Empfang am Donnerstagabend, dem 6. Oktober, welcher zusammen mit dem Cercle Philatélique Mamer zu dessen Veranstaltung „MAMER 2016“ stattfand, dankte Präsident Ralph Letsch in seiner Begrüßungsrede der Gemeinde Mamer (vertreten durch Député-Maire Gilles Roth, den Abgeordneten und 1. Schöffen Roger Negri und den 2. und Kulturschöffen Luc Feller), dem CIPA Mamer sowie den Vereinen und Personen welche zum Gelingen des „6. Mamer Geschichtsdag“ beigetragen hatten.

Dann referierte der Präsident Ralph Letsch über die zwei für das Jahr 2016 ausgewählten Themen. In seinem Essai betreffend „Natur, Umwelt, Ökologie - gestern und heute“ sprach er kurz folgende Aspekte an: Klima (die Gemeinde Mamer ist „Klimabündnis Gemeng“), Energie (Brennstoffe: Holz, Holzkohle, Heizöl und Gas; Strom), Natur (Syndikat SICONA; Sektion Mamer der Lëtzebuerger Déiereschutzliga asbl; Bienenzüchter des Kanton Kapellens; Mamer-Mitgliedschaft in der natur&ëmwelt asbl), Boden (Landwirtschaft früher und heute; „Gaard an Heem“-Vereine in der Gemeinde (der Verein Holzem besteht noch, derjenige von Mamer-Cap seit einiger Zeit leider nicht mehr); Verkauf von Gemüse auf dem Mamer Maart früher und heute), Wasser (Wasserläufe: Mamer, Faulbach, Kielbach; Trinkwasserversorgung: Stausee - SEBES, Quellen - Syndicat des Eaux du Sud; Abwasser und Kläranlage- SIDERO), Mobilität (Fahrrad: Mamer velo; von der Postkutsche zum Bus; Zug: 3 Haltestellen in der Gemeinde) und Abfall (Verbrennung - SIDOR; Recycling - SICA). Details dieser und weiterer Aspekte zum Thema „Natur, Umwelt, Ökologie - gestern und heute“ wurden in der Ausstellung in Schrift und Bild vorgestellt.

Im Vortrag über das Jahr 1941 erinnerte der Präsident Ralph Letsch zuerst an das Mémorial (das Amtsblatt des Großherzogtums Luxemburg) Nr. 68 vom 31. Dezember 1940, dem letzten Mémorial während der Zeit der Zivilverwaltung (also bis Mitte September 1944). Der Chef der Zivilverwaltung kündigt darin an, dass ab dem 1. Januar 1941 alle Zuständigkeiten der Staatsgewalt Luxemburgs auf ihn übergehen: „Die Anordnungen für einen Volksdeutschen und sozialistischen Aufbau Luxemburgs gibt der Chef der Zivilverwaltung in Luxemburg ausschließlich in seinem Verordnungsblatt für Luxemburg bekannt“.

Gleichschaltung und Germanisierung wurden ab dem 1. Januar 1941 noch intensiver als vorher vom Chef der Zivilverwaltung betrieben. Der Bürgermeister Jean-Pierre Wilhelm wurde im Mai abgesetzt und durch einen „strebsamen Parteigenossen“ aus Kapellen ersetzt. Deutschfeindlichkeit und Verstöße gegen das Beamtenrecht wurden bestraft; so wurde z.B. der Steuereinnehmer Josef Campill aus Kapellen „Vom Dienst enthoben!“. Das Alltagsleben der Zivilbevölkerung wurde immer mehr geregelt; „positiv“ war die Einrichtung im Monat Mai, in der Ortschaft Mamer, einer Zweigstelle der Kreissparkasse Esch-Alzig. Nachdem der Velo-Sport Mamer schon 1940 seinen Betrieb eingestellt hatte, wurde der Tisch-Tennis-Verein Mamer Anfang 1941 vom Generalbeauftragten des Stillhaltekommissars für die Sportorganisationen aufgelöst. Der FC Mamer, inzwischen in FK Mamer umbenannt, nahm 1941 noch am Fußball-Spielbetrieb teil.

Die Volksdeutsche Bewegung informierte und schulte, die Bevölkerung wurde aufgerufen für das Winterhilfswerk, die Polizei und die Wehrmacht zu spenden. Die ersten Musterungen von Jugendlichen für den Reichsarbeitsdienst wurden abgehalten, eine „Personenstandsaufnahme“ sollte am 10. Oktober durchgeführt werden, die „Mamer“ Juden wurden am 16. Oktober per Zug von Luxemburg nach Litzmannstadt deportiert.

Als Abschlussredner lobte der Député-Maire Gilles Roth, im Namen der Gemeinde Mamer, den Cercle Philatélique Mamer und die Mamer Geschicht asbl für ihre jeweiligen Beiträge zum kulturellen Leben in den verschiedenen Ortschaften, sei es um das Interesse an der Philatelie zu erhalten oder die Geschichte lebendig zu gestalten. Er wies auf die Wichtigkeit der Erinnerungskultur hin und erwähnte besonders die „Journée de la Commémoration nationale“, welche jährlich am 2. Wochenende des Monats Oktober stattfindet.

Am Nachmittag des 9. Oktober referierte Dr. Paul Dostert über „Die Verwaltung Luxemburgs nach der Besetzung und bis zur „Volkszählung““. Der luxemburgische Historiker, Autor der Studie „Luxemburg zwischen Selbstbehauptung und nationaler Selbstaufgabe. Die deutsche Besatzungspolitik und die Volksdeutsche Bewegung 1940-1945“, begann seinen Vortrag mit dem Einmarsch deutscher Truppen in das neutrale und unbewaffnete Luxemburg am 10. Mai 1940. Tags darauf wurde eine Militärverwaltung für Luxemburg eingerichtet. Die Großherzogin Charlotte war mit ihrer Familie und vier von fünf Ministern der Regierung ins französische Exil gegangen, um sich dem Zugriff der Besatzer zu entziehen. Diese Entscheidung erwies sich im Nachhinein als richtig, und niemand stellte sie am Kriegsende in Frage, auch wenn sie im Mai 1940 auf einiges Unverständnis stieß. In den Kreisen der Abgeordneten und führenden Beamten kam die Meinung auf, dass Luxemburg unter einer Militärverwaltung, wie schon im Ersten Weltkrieg, eine gewisse Selbständigkeit behalten könne, und so schien man Ende Juli bereit, sich mit Deutschland zu arrangieren.

Doch in Berlin waren die Weichen anders gestellt worden. Die Feldkommandantur musste Luxemburg verlassen. An ihre Stelle trat unter der Bezeichnung Chef der Zivilverwaltung in Luxemburg der Gauleiter Gustav Simon aus dem Nachbargau Koblenz-Trier. Durch geheimen Führererlass vom 2. August 1940 wurde dem Chef der Zivilverwaltung eine größtmögliche Unabhängigkeit gegenüber den Reichsbehörden zugestanden. Luxemburg sollte in „kürzester Zeit dem deutschen Volkstum wieder zurückgewonnen werden“. Der feierliche Einzug des Chefs der Zivilverwaltung in die Stadt Luxemburg erfolgte zusammen mit dem Einmarsch von 800 Polizisten, eine Art ziviler Wiederholung der militärischen Besetzung. Von nun an war klar, dass der polizeiliche Repressionsapparat eine immer größere Rolle spielen würde.

Ein erstes hartes Eingreifen der Beamten des Einsatzkommandos der Sicherheitspolizei und des Sicherheitsdienstes erfolgte, als in der Stadt Luxemburg das Denkmal für die luxemburgischen Freiwilligen des Ersten Weltkrieges, die „Gëlle Fra“, abgerissen werden sollte und es darob zu Unmutskundgebungen der Passanten, in erster Linie der Studenten des in der Nähe gelegenen Gymnasiums, kam. Doch trotz dieser ersten Anzeichen von Widerstand ließ Gustav Simon sich nicht von seiner Überzeugung abbringen, dass die Luxemburger nur einer gezielten Erziehung und Aufklärung bedürften, um sich dann „ehrlich und loyal ... freiwillig zu Deutschland [zu] bekennen und an der neuen Ordnung der Dinge mit[zu]arbeiten.“.

Alle Verwaltungszweige wurden durch die Einsetzung von Referenten und Kommissaren aus dem Altreich unter die direkte Kontrolle des Chefs der Zivilverwaltung gebracht. Kein Luxemburger sollte in führender Position verbleiben können, wenn er sich nicht als Deutscher und Nationalsozialist bewährte. Alle politischen Parteien wurden aufgelöst und ihre Neugründung verboten. Eine Ausnahme galt für die „Volksdeutsche Bewegung“ und die „Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei“. Am 22. Oktober 1940 wurden die Abgeordnetenkammer und der Staatsrat ebenfalls aufgelöst.

Dr. Paul Dostert erzählte und erklärte die vielfältigen „Entwelschungs-“- und Nazifizierungsversuche des Chefs der Zivilverwaltung auf der einen Seite und die Reaktionen, der oft passive aber auch aktive Widerstand, der Bevölkerung Luxemburgs auf der anderen Seite.

Am 10. Oktober 1941 wollte der Chef der Zivilverwaltung eine „Personenstandsaufnahme“ durchführen lassen. Bei den Fragen zur ‚Staatsangehörigkeit’, ‚Sprache’ und ‚Volkszugehörigkeit’ sollten die Luxemburger „deutsch“ und nicht „luxemburgisch“ angeben. Bei Stichproben, die einige Tage vorher durchgeführt wurden, stellte sich heraus, dass sehr viele, mindestens 70% bis 80% der Befragten, diese Anweisung nicht respektiert hatten. Sehr schnell wurde dieses Ereignis zu einem Referendum hochstilisiert, „wo’ d’Letzebuerger vollek (...) dem Preiss en énegt Nen gesôt huet“. Dr. Paul Dostert stellte jedoch ganz klar, dass das Wort „Referendum“’ für die „Personenstandsaufnahme“ propagandistisch sinnvoll, jedoch analytisch falsch ist. Nach außen hin wurde diese Niederlage vom Chef der Zivilverwaltung kaschiert, und durch die Anlegung einer Volkstumskartei sollten später doch noch klare Volkstumsverhältnisse geschaffen werden. Und der Chef der Zivilverwaltung verschärfte durch eine wahre Flut von Verordnungen die Strafen gegen jeglichen Widerstand.

Präsident Ralph Letsch bedankte sich abschließend mit einem passenden Geschenk bei Dr. Paul Dostert für die minutiöse und detaillierte Darstellung der Ereignisse und den hervorragenden Vortrag und die Zuhörer spendeten dazu den wohlverdienten Applaus.

Die Mamer Geschicht asbl erinnert seit 2014 und noch bis 2020 an das Leben der Einwohner und die Ereignisse des Zweiten Weltkrieges in der Gemeinde Mamer (Cap-Capellen, Holzem, Mamer). Jahr - Gemeinde - Thema:
2017 - 1942 - Zwangsrekrutierung (Zwangsrekrutierte, Deserteure, Kriegsgefangene, Wehrdienstverweigerer, usw.)
2018 - 1943 - Deportation & Konzentrationslager
2019 - 1944 - Widerstand & Alliierte
2020 - 1945 - Kollaboration & Wiederaufbau
Die verschiedenen Themen werden im Rahmen von Sonderveranstaltungen und den „Mamer Geschichtsdeeg“ behandelt. Für die geplanten Ausstellungen werden Alltagsdokumente und Gegenstände (Fotos, Postkarten, Briefe, Tagebücher, Plakate, Souvenirs, Kriegsmaterial, usw.) betreffend diese Jahre und die verschiedenen Themen von der Mamer Geschicht asbl gesucht und gerne angenommen.
Kontakt: www.cpmamer.clubs.lu
Ralph LETSCH - rletsch@pt.lu - 621 503 430
Gilles REGENER - gregener@pt.lu - 691 646 685

Photos:
1: Dr. Paul Dostert
2: Sammlung "Mamer 1941"
3+4 : Sammlung : Natur, Umwelt, Ökologie - gestern und heute