Das Aspelter Schloss ist, um es ganz kurz zu kennzeichnen, speziell und außergewöhnlich.
Speziell, weil es einen einheitlichen Block aus zwei ineinander geschachtelten, in verschiedenen Perioden entstandenen Gebäudeteilen darstellt. Der älteste, etwa 600 Jahre alte, westliche Trakt ist zwischen dem 14° und 16° Jahrhundert aus einer Wehranlage zu einer Schlossanlage erwachsen. Der jüngere, etwa 250 Jahre alte östliche Teil, wurde unter der letzten Adelsfamilie de Martiny angebaut.
Außergewöhnlich, weil sowohl der mittelalterliche Teil als auch der Martiny Anbau niemals einer kriegerischen Zerstörung, einer Feuerbrunst oder einer sonstigen Katastrophe zum Opfer gefallen wären. Eine bauliche Ungereimtheit und gleichzeitig auch besondere Eigenart stellt dabei allerdings der Ostturm dar. Von dem Turmzylinder besteht nur etwa ein Drittel des nördlichen Mauermantels, welcher an seiner Basis eine bedeutend geringere Mauerstärke aufweist als der Westturm, während das kegelförmige Dach – ein partielles Gegenstück zu dem Westdach – sehr abenteuerlich teils auf einem Turmmauerstück und teils auf dem Mauerwerk des Anbaus ruht. Soll der Turm beim Kauf des Schlosses durch die Familie de Martiny beschädigt oder eingefallen gewesen sein, oder soll derselbe in opportunistischer Weise als Steinbruchersatz für einen Teil des Neubaus gedient haben? Diesbezüglich ist nichts gewusst aber noch viel zu erkundschaften.
Immerhin, als kleines, nahezu im originalen Zustand erhaltenes, aus einer Wasserburg hervorgegangenes Wohnschloss, ist der Aspelter Schlosskomplex durch seine Lage, seine bauliche Entwicklung, seine Geschichte und diejenige seiner Eigentümer und Bewohner ziemlich einmalig und sucht seinesgleichen nicht nur in der nahen Umgebung.
Dass ein solches Kleinod in einem möglicht originalgetreuen Zustand erhalten werden muss ist eine zwingende Selbstverständlichkeit. Selbstverständlichkeit, die seit dem Eigentümerwechsel von 1992 allerdings unter dem Tisch liegt und von dorten noch immer nicht richtig wieder zum Vorschein gekommen ist.
Als absolut abwegig, ja schlichtweg frevelhaft zu bewerten sind in diesem Zusammenhang die im Rahmen der Innenrenovierung auf Anordnung der Gemeinde ausgearbeiteten Pläne bezüglich des Einbaus eines Aufzugs und unzählbarer Toiletten im jüngeren Martiny Trakt.
Es ist in keiner Weise irgendetwas dagegen einzuwenden, wenn die Gemeinde Mobilität und Hygiene in ganz großen Buchstaben schreiben möchte. Nur darf die Gemeinde dabei nicht in den fundamentalen, fatalen Irrtum verfallen, anzunehmen der absolut gute Zweck heilige auch die absolut verwerflichen Mittel. Diese Unvereinbarkeit gewinnt dann auch noch doppelt an Gültigkeit, wenn gewusst ist, dass Alternativ- oder Ausweichmöglichkeiten bekannt und gegeben sind, aber außer Acht gelassen werden.
Also, entsprechend der ersten Planausarbeitung wäre ein Aufzug in dem nordwestlichen Quadrant des Turmumrisses eingebaut worden und hätte Erdgeschoss, erstes Stockwerk und Dachboden bedient. Zusätzlich wäre eine Treppe vom ersten Stockwerk, im Treppenhaus des Martiny Flügels, auf den Dachboden hinauf eingebaut worden. Da aber die Stockwerke im alten und neuen Teil niveauversetzt sind, hätten noch Rampen für Rollstühle eingebaut werden müssen. Toiletten waren in zwei übereinander liegenden Räumen des neueren Ostflügels vorgesehen, nämlich im Erdgeschoss drei Toiletten mit einem Vorraum und im ersten Stockwerk drei behindertengerechte Toiletten mit einem Verteilraum.
Der hier im Bild wiedergegebene Auszug aus den entsprechenden Plänen zeigt die Aufzugs- und Toilettenanordnungen im Erdgeschoss des Martiny Anbaus. Es ist gewusst, dass das Aspelter Schloss eher nur ein Schlösschen ist und lediglich etwa 155 qm innere Bodenfläche (davon kaum 110 qm Wohnfläche) pro Stockwerk aufweist. Die vorgesehenen Implantate benötigen grob 30 qm, also etwa ein Fünftel der Gesamtfläche und mehr als ein Viertel der Wohnfläche - Dachboden außer Betracht gelassen - was nicht tragbar ist. Nicht tragbar ist auch, dass einerseits eine der Turmecken und die Hälfte des Martiny Wohntraktes für total zweckentfremdende und museal absolut unpassende Einrichtungen verloren gehen und dass andererseits sehr aufwendige, unwiderruflich denaturierende Eingriffe an den Turm-, Zimmer- und Bödenkonfigurationen vorgenommen werden müssen.
Die einzige allen Ansprüchen gerecht werdende Alternative zu einem im Innern angeordneten Aufzug besteht in einem mit dem Schlosskorpus auf verschiedenen Ebenen, z. Bsp. durch ausgeweitete Fenster, verbundenen außen angeordneten Lift. Dies ist gelegentlich der Generalversammlung der Freunde des Aspelter Schlosses im Beisein des Bürgermeisters auch klar und deutlich vom damaligen Präsidenten gefordert worden.
Aber es konnte leider nie zu einer entsprechenden Diskussion kommen, weil die lokalen Gemeindeväter nach der von alters her überbrachten, feudalen Denkweise für Begriffe wie Kommunikation, Konzertierung und Konzession überhaupt kein Verständnis aufbringen.
Dennoch, entweder weil der Schuh zu drücken begann oder weil ein kleiner Funke Einsicht nichtsdestotrotz aufkeimte – wer weiß? – erging seitens der Gemeinde die Anweisung einen zweiten Satz neuer abgeänderter Pläne für Aufzug- und Toilettenimplantation auszuarbeiten.
Allein schon durch den bloßen Umstand der plötzlichen Ausarbeitung ganz neuer Pläne bekundete die Gemeinde implizit - aber auch für den Dümmsten klar verständlich - dass die erste Annäherung ein plumper Fehlschlag war, für den man sich Mühe und Kosten hätte sparen können. Aber auch die Investition in den zweiten Wurf neuer Pläne ist genauso eine eindeutige Fehlinvestition. Es ist nämlich ganz einfach nicht annehmbar, dass der von der Familie de Martiny geschaffene Wohntrakt, welcher eine lebendige Illustration des Wohnstils des ländlichen Adels Ende 17°, Anfang 18° Jahrhundert beurkundet, durch den Einbau eines mechanischen Monstrums, samt Toiletten, ganz und gar verschandelt, verstümmelt und unkenntlich gemacht wird. Es sei an dieser Stelle auch hervorgehoben und vorausgeschickt, dass sogar in dem Fall, der eigentlich unvorstellbar scheint, wo diese neuen zweiten Pläne von dem Kulturministerium gutgeheißen würden, ein solcher Eingriff nichtsdestotrotz als ein stümperhaftes und unverzeihliches Sakrileg in die Schlossrestaurationsgeschichte eingehen würde.
Auf dem Modell des Schlosses wird glasklar was passieren würde, sowohl nach der ersten als auch nach der zweiten Gemeindevariante, wenn man sich ein vom Dach aus – entsprechend der Fläche A oder der Fläche B - ins Innere der ’Eingeweide’ des Schlosses hinein getriebenes, alles auf seinem Weg durchdringendes quadratisches Rohr vorstellt. Würden Sie, die Leser, sich dies in ihrem Eigenheim vorstellen können, und glauben Sie im Ernst die Gemeindeväter würden dies in ihrem privaten Eigentum hinnehmen? Also soll dem laufenden Schauermärchen so oder so ein Ende gemacht werden!
Wenn der Aufzug nämlich nach den neu ausgearbeiteten Plänen aus dem Ostturm in die süd-westliche Ecke der beiden hinteren Zimmer des Martiny Traktes ausgelagert wird und Toiletten im ersten Stockwerk neben dem Aufzug eingerichtet werden, so bleiben wohl der Turm und seine jetzige innere Struktur unbehelligt, aber infolge der Verschandelung von zwei der vier Wohnzimmer wird trotzdem der ganze Martiny Trakt glattweg in unannehmbarer Weise denaturiert.
Wahrnehmen sollte man auch auf offizieller Seite, dass die eigenen zum Großschreiben vorgesehenen Prinzipien bei den nunmehr geänderten Plänen einen mehr als nur bedenklichen Knacks gekriegt haben. Einerseits könnte die Mobilität für rollstuhlgebundene Besucher wohl als in etwa gleichwertig angesehen werden, allerdings werden dieselben in eine wohl – aber zu Unrecht - als minderwertig betrachtete, versteckte Gebäudeecke abgedrängt und der Aufzug selbst soll auf das allerletzte zulässige Minimum reduziert werden. Andererseits sind anstelle von 6 Toiletten bloß nur noch 2 übrig und hiervon kommt eine auf den Speicher, wohl für das Darmolmännchen im Schlafrock mit Zipfelmütze und Kerze. Kopf- und hirnlos. Wie soll man sich da etwa 10 gleichzeitig ankommende und/oder weggehende Leute vorstellen, etwa mit Kleinkind im Kinderwagen und einer behinderten Person im Rollstuhl, die sich teils zur der Toilette bzw. dem Babywickelraum im ersten oder zweiten Stock und teils zu der Kasse und teils zu einer Garderobe begeben möchten, wobei letztere überhaupt noch nicht einmal vorgesehen sind. Wie wird das dann wohl an der Schlosseingangstüre in dem Moment aussehen, wo ein großzügig angelegter Fest- und Versammlungssaal auf dem Dachboden sich mit Menschen füllt oder entleert?
Es liegt also offensichtlich auf der Hand, dass ganz einfach ein gründlich durchdachtes, ausgereiftes und einsatzbezogenes Grundkonzept für die Innenausgestaltung und Verwertung des Schlosses fehlt. Das Schloss verdient viel mehr Rücksichtsnahme und man sollte aufhören mit demselben zu verfahren wie dies ein fachlich unqualifizierter, klein karierter ‚blody homeworker’ tun würde. Auch besucherbezogene Ausstattungsmerkmale sollten nicht bloß als propagandistische oder Subsidien begründende Kriterien in den Raum gestreut werden, solange sie keiner realistischen Perspektive entsprechen.
Sicher ist eine bereits angesprochene Alternative mit Außenlift sowie separat und unterirdisch angeordnetem Eingang mit den notwendigen Funktionalitätsräumen eine wahre Herausforderung. Auch mag nicht jeder ein resoluter Verfechter eines neuzeitlichen, zusätzlichen außen zu errichtenden Turmes sein.
Aber, will man das Ego des einmaligen Inneren des Schlosses nicht mutwillig opfern, so gibt es im Endeffekt nur zwei klar getrennte unvereinbare Möglichkeiten.
Die erste Möglichkeit bestünde darin, dass man sich im Hauptgebäude definitiv begnügen würde mit neu eingerichteten sanitären Anlagen in den im Schloss vorhanden und vorher von der Familie Raus-Diderrich ebenfalls für Badezimmer und separate Toilette bereits benutzten blinden Ecken. Wer „Skandal“ ruft, weil er insbesondere Mobilitätsverfechter ist, der muss zwölf Zeilen weiter unten mit dem Lesen fortfahren und die hier dargelegte Option zu seiner eigenen wählen.
Zwischendurch sei auch noch bemerkt, dass die mündlich ausgesprochene Absicht, den Differenzumfang an utilitaristischen Einrichtungen und Räumlichkeiten zwischen den ursprünglichen und den abgespeckten zweiten letzthin ausgearbeiteten Plänen in den Nebengebäuden unterzubringen, gradewegs gesagt eine Schnapsidee ist. Bei eventueller Nutzung von Räumlichkeiten in den Nebengebäuden für irgendwelche noch nicht definierten Zwecke sind diese Zusatzeinrichtungen dann entweder nicht mehr geeignet, nicht ausreichend oder befinden sich am falschen Ort, und man beginnt wieder bei Null. Außerdem enthalten auch die Nebengebäude in ihrem Mittelteil einen mittelalterlichen verwölbten Keller mit ebensolchen sich darüber befindlichen Restwänden einer Wohnung, sodass auch hier zu respektierende historische Barrieren gegeben sind.
Die zweite Möglichkeit besteht darin, eine Lösung vorzubereiten mit einem Außenturm, welcher über ein zentral unter dem Hof gelegenes Untergeschoss mit den utilitaristischen Räumlichkeiten das Schloss mit den Nebengebäuden durch einen Tunnels verbindet. Gibt’s in Theorie und Praxis. Dies ist der einzige Weg dem Schloss das sein Wesen widerspiegelndes Inneres intakt zu bewahren.
Das Verb „vorbereiten“ steht mit Absicht so im Raum. Bis die Renovierungen von Schloss und Nebengebäuden in eine Endphase eingetreten sind und ein oder mehrere Verwendungszwecke endgültig definiert und auch entsprechend vorbereitet sind, werden sicher noch gut und gern sechs bis acht Jahre ins Land ziehen. Also völlig Zeit sich von dem jetzigen Irrweg zu distanzieren, Sanitäranlagen und Bewegungswege rationell und zweckentsprechend zu planen und später auszuführen, ohne das geschichtliche Spiegelbild des Schlossinneren zu schänden.
Wie bereits gesagt, es muss nicht jeder ein Fürsprecher für einen beizufügenden Außenturm sein. Will man aber das Schloss möglicht intakt halten, was oberstes Gebot sein muss, und trotzdem ein Summum an Bequemlichkeit einrichten, dann führt kein Weg an dieser Ausweichmöglichkeit vorbei. Aber man kann, unter einer längeren Liste von Voraussetzungen, in einem historischen Ensemble großartige architektonische Symbiosen verwirklichen zwischen einer alten Bausubstanz und den mit Hilfe von zeitgenössischen Materialien und Mitteln verwirklichten Zusatzbauten neuzeitlicher Architektursprache. Ganz eindeutig ist dies bei vielen historischen Gebäuden großartig gelungen. Bei manchen ist dies halt nicht ganz geglückt. Es braucht eben das Glück des Tüchtigen. Leider genügt aber anscheinend allein dieser Umstand, dass die meisten schleunigst Abstand nehmen möchten. „A bon entendeur salut“, wie schon jemand im Zusammenhang mit einer anderen Schauerstory bezüglich des Aspelter Schlosses zutreffend bemerkt hat.
René Neyen